Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 13

Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte

Kapitel 13 –

Seltsames Kapitel in ungewohnter Schriftsprache durch naichs zermatschtes Gehirn, weil sein Tag verdammt lang war (genau wie diese Überschrift)!

 

1. April? Aprilscherze sind Humbug, ich mach lieber ein ernsthaftes Kapitel.

 

Manchmal kommt es mir so vor, als hätte die japanische Sprache keine eigene Grammatik. Ich meine, es ist zwar sprachwissenschaftlich und historisch mehr oder weniger bewiesen, dass das Japanische, wie es in traditioneller Form existiert, höchstens vom nördlicheren Reich der Mitte und vom westlichen Land der Morgenstille beeinflusst wurde und grundsätzlich nichts mit den sonstigen Sprachen der Erde zu tun hat, aber manche Grammatikbausteine wirken, als wären sie beinahe exakt aus einer anderen (europäischen) Sprache kopiert worden. Das Gefühl hab ich zum Beispiel bei der Verlaufsform von Verben.

Verlaufsform? Hä? Ich wil Japanisch lernen und nicht Doitsch, das kan ich eh schohn!
Wenn du das so siehst, dann hab ich gute Nachrichten für dich. Es gibt zwar eine Verlaufsform im Deutschen, aber mal abgesehen von der grammatikalischen Definition im offiziellen Duden und einer praktischen Anwendung in ein paar Dialekten und in der Umgangssprache existiert sie de facto nicht. Tja, jetzt sollte man halt wissen, was diese Verlaufsform überhaupt ist.

Machen wir doch einen kleinen Ausflug in die englische Sprache für diejenigen, die mit dieser Sprache nicht vertraut sind…
Ja, okay, ich geb’s ja zu. Mein alter Lehrer erfand einen schönen Ausdruck für das, was ich gerade tue: ZTT. Zeit-Totschlag-Taktik. Nun, dann gehe ich einfach mal davon aus, dass jeder hier weiß, wozu es die ing-Form im Englischen gibt und was der Unterschied von „I eat“ zu „I am eating“ ist. Denn das grammatikalische Konstrukt, das mithilfe einer „to be“-Form und der ing-Form eines Verbs gebildet wird, nennt man Verlaufsform. Es geht also darum, dass nicht nur etwas „passiert“, sondern dass gerade jetzt, zu genau diesem Zeitpunkt, etwas „passierend ist“.

Nun, wie gesagt, im Deutschen gibt es dieses Gebilde auch, aber es werden die verschiedenen Aussagen nicht so stark voneinander unterschieden. „Ich bin am essen“ / „Ich bin essend“ heißt eindeutig, dass ich in diesem Moment etwas esse, aber „Ich esse“ ist einfach viel geläufiger und muss nicht bedeuten, dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt etwas esse.

Soviel zum Thema, dass ich keine Zeit mehr schinden wollte… Egal, ab jetzt wird’s interessant.

Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber die Japaner haben wohl diese Konzept von irgendwem abgeschaut und es direkt in ihre eigene Sprache copypasta’d, wobei sie zum Glück noch die Formatierung und die Kopfzeile geändert haben, damit der Lehrer nicht draufkommt. Soll heißen: Die beiden Worte bedeuten zwar dasselbe, aber die ing-Form im Englischen entspricht komplett der te iru-Form im Japanischen.

Endlich haben wir’s zum Kapitelthema geschafft, juhu!

Nun, es gab natürlich einen Grund, warum die Einführung so lange wurde. Ich als Verfasser dieses Kapitels hab das Problem, dass es kaum was zur te iru-Form zu sagen gibt, weil sie ziemlich einfach ist – das ist natürlich positiv für euch hier, weil man sie sich schnell einprägen kann, aber versetzt euch doch mal in meine Lage…
Nein, versetzt euch nicht in meine Lage, ich sollte mich endlich mal konzentrieren und euch die te iru-Form erklären!

Ich kann nicht glauben, dass ich all das später veröffentlichen werde…

Okay, einatmen, außatmen… Puh, jetzt sollte es wieder gehen.
Ich probier die Erklärung jetzt in schnellerer Geschwindigkeit, damit ich das endlich hinter mir habe.
Ich präsentiere feierlich: Die Schritt-für-Schritt-Anweisung, um die te-iru-Form eines Verbes zu bilden! Freude, Jubel, Wahnsinn!

Schritt 1: Bilde die te-Form des Verbes, indem du sie dir aus dem Internet googelst oder dieses uralte DOS-Programm (mit DOSBox) verwendest. Was genau das ist, erkläre ich im nächsten Kapitel.
Schritt 2: Füge ein iru hinten dran.
Schritt 3: ???
Schritt 4: Verlaufsform! Und Profit!

aruku –> aruite –> aruite iru
taberu –> tabete –> tabete iru
asobu –> asonde –> asonde iru

Für die ganz Faulen gibt’s noch eine Kurzform, bei der das i einfach ausgelassen wird.

yomu –> yonde –> yonderu
nomu –> nonde –> nonderu
warau –> waratte –> waratteru

Aber Achtung, die Verlaufsform impliziert keine Zeit! Das kann bei einigen Verben dann problematisch werden. „Futotte iru“ („Fett werden“) kann zum Beispiel sowohl progressiv („Ich nehme gerade zu“) oder als Zustand interpretiert werden. („Ich bin fett (, weil ich zugenommen habe).“)

 

Und so, meine Damen und Herren, kann man eine recht einfache Sache völlig konfus und ohne System erklären und somit seine Leser ärgern.

Außerdem muss ich jetzt nächstes Mal was zur te-Form schreiben, was bedeutet, dass ich wieder ein vorgefertigtes Kapitel hernehmen kann! :3

Autor:
Datum: 01.04.2012
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs

  1. 1 | masat

    olol ein DOS-Programm \m/
    Wenn ich dir meine Adresse gebe, kannst du es mir dann auf Diskette kopieren und zuschicken?

    • 2 | naich

      Sorry, mein Laptop hat leider nur ne internen Minidisc-Laufwerk, leider sind Minidiscs aber heutzutage so teuer. Ich könnt dir aber gerne meine Lochkarten schicken, die zusätzlich ne Raubkopie von Tennis for Two enthält. Meine Adressdaten befinden sich auf meinem Myspace-Account.

      Nein, ernsthaft, das ist leider die neueste Version von dem Ding, und obwohl ich den Algorithmus kenne, bin ich zu faul, selbst was Neues zu schreiben. Irgendwann mal vielleicht~

  2. 3 | Wetter

    Du könntest Drehbuchautor von „Tribute von Panem“ werden. Die hatten in ihren ersten Film auch so das Problem genaue Definitionen und sonstige Erklärungen zu finden, damit der Film überhaupt auf 142mim aufgebläht werden kann, obwohl ihr Konstrukt in ganzen 30min erklärt hätte werden können.

    ^^

  3. 4 | Schnitzelschale

    „Formatierung und die Kopfzeile geändert haben, damit der Lehrer nicht draufkommt“
    So schlau war ein Kumpel von mir nicht. Der Lehrer kam drauf.^^

    • 5 | Drekelmann

      Die Japaner waren sogar noch schlauer, 〜ている ist nämlich gar nicht das Gleiche wie -ing.

      Zum Beispiel:
      „The world’s population is growing“ = „Die Weltbevölkerung ist dabei, zu wachsen“

      「世界人口は大きくなっている」 = „Die Weltbevölkerung ist groß.“

      Es gibt noch weitere kleine, aber wichtige Unterschiede.

      • 6 | naich

        Das versteh ich jetzt aber nicht. Ich würde das eher mit 大きくなっていた übersetzen. なっている zeigt etwas Fortlaufendes an, なっていた etwas, das fortlaufend war, jetzt aber beendet ist. Oder hab ich da ’nen Denkfehler?

        • 7 | Drekelmann

          So, wie ich es gelernt habe, bezeichnet 〜ている immer einen Zustand, wodurch auch Verben, die eine Zustandsveränderung ausdrücken, ihre Bedeutung ändern:

          太る „dick werden“ → 太っている „dick sein“
          開く „sich öffnen“ → 開いている „offen sein“

          usw., insbesondere なる „werden“ → なっている „sein“. Insofern hätte ich gedacht: 大きくなる „größer werden“ → 大きくなっている „groß sein“. Kann aber durchaus sein, dass ich mich irre…

          • 8 | naich

            Damit liegst du grundsätzlich richtig, soweit ich das weiß, aber 大きく ist ein Adjektiv in Adverbform, kein Verb. Bloß, weil du なる dranhängst, heißt das nicht, dass 大きく jetzt zum Verb gehört. 大きくなる wär ein einfaches „größer werden“, 大きくなっている ein „ist dabei, größer zu werden“ und 大きくなっていた „war dabei, größer zu werden“.
            Vielleicht irr ich mich aber auch gerade gewaltig, da bräuchten wir vermutlich ’nen Muttersprachler…

          • 9 | immu

            Tatsächlich ist ~ている um einiges komplizierter als das.

            Prinzipiell muss man unterscheiden, mit welcher Art von Verb man es zu tun hat.

            Bei Aktionsverben (=Verben, die eine Handlung oder einen Vorgang beschreiben) kann ~ている im Großen und Ganzen folgende Dinge bedeuten (gibt noch ein paar anderen, seltene Bedeutungen, aber wir wollen’s nicht übertreiben:
            -> Das Fortlaufen dieser Handlung: 今、走っている (=“Ich renne gerade.“)
            -> Eine Gewohnheit: 毎日、アイスを食べている (=“Ich esse jeden Tag Eis.“)
            -> Perfektiv/resultierender Zustand: 倒している (=“Ich bin umgefallen (und liege jetzt am Boden).“)

            Bei Zustandsverben (=Verben, die einen Zusand beschreiben), bedeutet ~ている im Normalfall das Anhalten dieses Zustandes oder auch die gewohnheitsmäßige Änderung des Zustandes:
            -> 死んでいる (=“Er ist tot.“/“Er ist gestorben.“)
            -> 毎日、曇っている (=“Es ist jeden Tag bewölkt.“ – ja, das Beispiel ist etwas komisch und an den Haaren herbeigezogen, mir fällt gerade kein besseren ein, sorry.)

            In diese Kategorie der Zustandsverben fällt auch なる, weswegen 大きくなっている nicht „Es wird gerade groß.“ sondern eben „Es ist groß (geworden).“ bedeutet.

            Ein ganz netter Sonderfall, der besonders Anfänger oft verwirrt, sind dann noch Bewegungsverben. Bei diesen Beschreibt ~ている nämlich nicht, wie man annehmen könnte, das Fortlaufen der Bewegung, sondern das Resultat dieser (weil Bewegungsverben nicht als Aktionsverben betrachtet werden). So bedeutet etwa 仕事に行っています _nicht_ „Ich gehe gerade zur Arbeit.“ sondern „Ich bin gerade in der Arbeit (weil ich hingegangen bin).“

            Also ja, ~ている kann man nicht mit ~ing gleichsetzen, ganz und gar nicht. Dennoch denke ich, dass das in einen Kurs für Anfänger, und noch dazu in so einem frühen Kapitel, schon okay ist. Auf die anderen Bedeutungen kann man später eingehen. Man muss am Anfang halt ein bisschen vereinfachen.

            Und nochmal sorry für meine dämlichen Beispiele. Ich bin wirklich schlecht darin, mir Beispiele auszudenken.

          • 10 | Drekelmann

            Die Beispiele sind nun wirklich nicht dämlich. Nur weil sie nicht so lustig sind wie die von naich, muss das nicht heißen, dass sie nichts taugen.

          • 11 | naich

            In diese Kategorie der Zustandsverben fällt auch なる, weswegen 大きくなっている nicht “Es wird gerade groß.” sondern eben “Es ist groß (geworden).” bedeutet.

            Tja, so weit reicht mein Internetwissen dann halt auch nicht. Nicht falsch verstehen, ich glaub dir, aber ich kann nirgends auch nur eine einzige Quelle finden, die das bestätigt…

          • 12 | immu

            Eine im Internet verfügbare Quelle dafür hast du zum Beispiel hier: http://homepage3.nifty.com/park/aspect.htm

            Da wird das auch noch viel detaillierter erklärt, als ich es vereinfacht dargestllt haben. Etwa der Unterschied zwischen durativen und punktuellen Verben (die ich einfach in die Klasse der „Zustandsverben“ geschmissen habe – dazu gehört なる).

            Noch detaillierter gehts natürlich auch. Ein sehr gutes Paper (eig. schon eher Buch) zu dem Thema ist „Tense and Aspect in Modern Colloquial Japanese“ von Matsuo Soga, University of British Columbia. Das gibt es aber afaik nicht vollständig im Netz (Google Books hat eine „recht“ vollständige „Vorschau“ davon!)

        • 13 | Schnitzelschale

          Wenn etwas fortlaufend war, aber jetzt beendet ist, ist das doch schlicht die Vergangenheit oder?

          Und noch eine kleine Frage zur Aussprache: Wird ている wie das dt. „ei“ ausgesprochen, oder eher „te-iru“?

          • 14 | naich

            Wenn etwas fortlaufend war, aber jetzt beendet ist, ist das doch schlicht die Vergangenheit oder?

            Nö. Es gibt einen Unterschied zwischen „es war irgendwas“ und „etwas war dabei, gewesen zu sein“. Im Deutschen unterscheiden wir das halt kaum, im Englischen sehr wohl, deswegen auch der Vergleich mit der -ing-Form.

            Und noch eine kleine Frage zur Aussprache: Wird ている wie das dt. “ei” ausgesprochen, oder eher “te-iru”?

            Nur あい wird wie das deutsche „ei“ ausgesprochen 😉

          • 15 | Drekelmann

            Nicht nur あい…

            てい würde normalerweise „tey“ ausgesprochen werden (Vorsicht, das sprechen manche Deutschen auch „tai“ aus). In diesem Fall gehört das て aber zum Verb (te-Form), das い hingegen zu いる (居る, aber das schreibt man so gut wie nie mit Kanji und in diesem Fall erst recht nicht, weil’s als Hilfsverb gebraucht wird); daher müssen て und い getrennt gesprochen werden. Das bedeutet aber nicht, dass man eine deutliche Sprechpause lassen sollte, oder jedenfalls habe ich dort nie eine gehört.

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