Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 40

 

Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte

Kapitel 40-

Papa Bär, Mama Bär…

Die Verwandtschaft von eigenen oder fremden Familien hat im Japanischen jeweils eine eigene Bezeichnung! Genau wie im Deutschen…

Eigene oder fremde Eltern heißen auf Japanisch haha/kaa (, Mutter) und chichi/too (, Vater). Jetzt achten Japaner natürlich wieder pingelig auf ihre Höflichkeitsregeln, also kommt nach der jeweiligen Anrede eines der Anredesuffixe (zB -san, -chan oder -sama). Als wäre das nicht genug, kann man die Höflichkeitsstufe noch einen Grad höhergesetzen, also man greift sich ein Höflichkeits-o und wirft es vor die gesamte Anrede. Es kommt also wieder bloß darauf an, wie gut man sich mit den Eltern versteht bzw. wie viel Respekt man gegenüber dem Elternteil hat. Während kaa-chan oder o-kaa-chan Vertrautheit ausdrücken, ist o-too-sama sehr förmlich und gilt heute als veraltet.
Die Möglichkeiten wären also (von persönlich bis höflich):

  • kaa-chan / too-chan
  • o-kaa-chan / o-too-chan
  • kaa-san / too-san
  • o-kaa-san / o-too-san
  • o-kaa-sama / o-too-sama

(Ein kaa-sama bzw ein too-sama ohne Höflichkeitsvorsilbe ist zwar möglich, aber sehr ungebräuchlich.)

Jep, das waren alle Möglichkeiten, wie man die Eltern ansprechen kann.

Langsam zieht dieser Running-Gag nicht mehr, denn mittlerweile ist es fast logisch, dass uns die japanische Sprache nicht so schnell davonkommen lässt. Man kann die Mutter nämlich mit noch zwei Arten bzw. den Vater mit noch drei Arten ansprechen.

Da wäre zum einen das multilinguale mama (ママ) und papa (パパ). Höflichkeitstechnisch liegen die Wörtchen zirka bei kaa-san / too-san, also wird dafür schon eine gewisse Vertrautheit vorausgesetzt. Allerdings ist diese Vertrautheit in modernen Familien ohnehin Standard, ist diese Anredeform nicht unüblich. Das Höflichkeitspräfix und Anredesuffixe werden hier aber nicht benötigt.


„Hiermit übergebe ich an Euch, meinen Sohn, die Verantwortung, diese Familie erfolgreich weiterzuführen.“
„Nein, chichi-ue-sama, NEEEEIIIINNN!!!!!“
„Lass es, liebster Sohn, es ist zu spät.“
„Aber haha-ue-sama, er stirbt doch gar nicht, er hat bloß schrecklichen Durchfall und hat’s nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette geschafft.“

Diese dramatische Geschichte (;__;) gibt preis, wie man die Eltern im feudalen Japan angesprochen hat, nämlich mit chichi-ue-sama (父上様) und haha-ue-sama (母上様). Das ue spricht man dabei schon fast wie „we“ aus. Würde man so was heute verwenden, ist man entweder gerade besonders lustig drauf, Zeitreisender oder mit dem Intellenzquotienten einer Kartoffel gesegnet. Das -sama ist aber kein Pflicht, es gibt das Wort nur zum verstärken der bereits verstärkten Höflichkeit. (WTF, Japan?!) Wenn man nicht genau einschätzen kann, ob der Gesprächspartner eher höflich oder neutral angesprochen werden soll, durfte man auch chichi-oya (父親) oder haha-oya (母親) benutzen.

Aber etwas Höflicheres als haha-ue-sama und chichi-ue-sama existiert nicht mal im Japanischen.

Ach, wieder reingefallen. Go-bodou-sama (御母堂様) für die Mutter und go-sonpu-sama (御尊父様) für den Vater sind tatsächlich noch höflicher. Allerdings sollte man aufpassen, diese Bezeichnungen nicht im Alltag zu benutzen, denn sie sind hauptsächlich auf Beerdigungen zu hören. (Aber nur für fremde Eltern, niemals für die eigenen!)

Für den Vater gibt es noch eine Sonderbezeichnung, nämlich oyaji (親父). Das ist relativ unhöflich und entspricht in etwa dem Deutschen „Alter (Herr)“. Will man abfällig über Männer im mittleren Alter reden, kann man es auch auf andere Personen anwenden.


 

 

Die Großeltern haben dasselbe System wie die Eltern. Großmutter heißt baa (), Großvater jii (). Um die Vertrautheit zum Ausdruck zu bringen, kann man das mit -san, -chan oder -sama ergänzen und schlimmstenfalls ein o davorsetzen.
Bei den Großeltern gibt es hier aber nicht nur für den Opa ein Wort, um über ihn zu lästern, sondern auch für das werte Großmütterchen. Jiji/Jijii () heißt in etwa „alter Knacker“ und baba/babaa () „alte Oma“.

Als Deutschmuttersprachler kann man in Japan gerade von solchen Anreden ziemlich verwirrt werden. Bei uns ist es ja eher unanständig, ältere Leute mit Oma oder Opa anzureden, aber in Japan ist das völlig normal. Will man mit einer alten Dame höflich sprechen, darf man sie mit o-baa-sama ansprechen, will man einer freundlichen Oma über die Straße helfen, kann man auch „Brauchst du Hilfe, liebe baa-chan?“ sagen.


Ältere Geschwister bekommen natürlich auch eine Anrede. Der große Bruder heißt nii (), die große Schwester nee (). Nee, ne?
Genau wie bei den Eltern und den Großeltern gilt hier wieder: Zum Verstärken darf man es mit einem Anredesuffix ergänzen oder ein Höflichkeitspräfix davorschreiben. Ebenso wie die Großeltern kann man nii und nee auch bei fremden Leuten verwenden, allerdings diesmal bei jungen Menschen und nicht bei alten.
Übrigens kann man als Hanswurst hübsche junge Frauen mit (o-)nee-chan anbaggern. Ob das gut ankommt, ist eine andere Frage.

Außerdem gibt es noch für harte Jungs und starke Mädels die Anreden aniki (兄貴) und aneki (姉貴). Die älteren Geschwister mit nee-chan und nii-chan anzusprechen ist unter Gangmitgliedern doch voll peinlich, also benutzt man für sie lieber aniki (großer Bruder) oder aneki (große Schwester). Mafiosi und Yakuza-Mitglieder reden sich auch untereinander so an, da spielt Blutsverwandtschaft oder Alter gar keine Rolle.

Jüngere Geschwister sind, wie im wirklichen Leben, wieder einmal im Vorteil. Für sie gibt es keine besondere Anrede, sie werden einfach beim Namen genannt. Nein, otouto und imouto sind keine Anreden.

Okay, wir können jetzt fremde junge und fremde ältere Personen ansprechen und außerdem fremde Männer im mittleren Alter beleidigen. Wir brauchen wohl noch die Möglichkeit, Personen im mittleren Alter neutral anzusprechen, und das macht man mit den Worten für Onkel und Tante.
Onkel (oji, おじ) und Tante (oba, おば) klingen von der Aussprache her sehr stark nach den Anreden der Großeltern, also sollte man aufpassen, das liebe Tantchen nicht in eine alte Oma mutieren zu lassen. Das o steht diesmal allerdings nicht für das Höflichkeitspräfix, das sitzt schon fest im Wort drinnen. Und weil o-oji-san irgendwie blöd klingt, verzichtet man hier auf das Höflichkeitspräfix und erlaubt nur die üblichen drei Anredesuffixe.

Für die lieben kleinen japanischen Mädchen gibt es auch noch jou (). Wenn sie noch zu klein sind, um als „junger Mensch“ zu gelten, um mit nee angesprochen zu werden, kann man sie je nach Einkommen der Eltern und Niedlichkeitsfaktor mit (o-)jou-chan, (o-)jou-san oder o-jou-sama anreden. Das ist kein Scherz, reiche, verzogene Mädchen bekommen den ganzen Tag aus allen Ecken und Enden ihr o-jou-sama zu hören. Capitalism, ho! Ebenso wie bei (o-)nee-chan beginnen verzweifelte Anmachsprüche von fremden Draufgängern oft mit (o-)jou-chan. Das ist dämlich, aber beschert uns in Anime manchmal lustige Situationen. Manchmal.

Kleine Lauser werden bocchan (坊ちゃん), bouzu (坊主) oder – jetzt kommt’s – boku () genannt. Ja, die Japaner können für „Du“ und für Ichdas gleiche Wort verwenden. Der Grund dafür lautet: Leberkäse.

 

Das waren nun alle Verwandschaftsbeziehungen mit Anrede. Und weil jetzt alle so traurig sind, dass das Kapitel schon wieder vorbei ist, gibt’s… nächste Woche wieder ein Kapitel. :V

Autor:
Datum: 25.11.2012
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs

  1. 1 | Hughes

    Im Gegensatz zu den restlichen oben erwähnten Bezeichnungen für „Mutter“ wird „gobodô-sama“ nur für jemandes Mutter verwendet, nicht für die eigene (analog bei „gosonpu-sama“).

    „Botchan“ heißt neben „Sohn, Junge“ normalerweise „junger Herr“, aber auch verächtlich „Muttersöhnchen“. Der „Lauser“ ist häufig auch 坊主 (bôzu).

    „Das waren nun alle Verwandschaftsbeziehungen mit Anrede.“ Moment! Auch die liebe Stieffamilie will angeredet werden – von Schwiegermutter und -vater ganz zu schweigen. Dafür gibt es auch im Japanischen eigene Wörter. Aber das ist vermutlich etwas für Kapitel 40+x (bei x→∞). Nebenbei: „verwandt“. 🙂

    • 2 | naich

      Im Gegensatz zu den restlichen oben erwähnten Bezeichnungen für “Mutter” wird “gobodô-sama” nur für jemandes Mutter verwendet, nicht für die eigene (analog bei “gosonpu-sama”).

      Okay, wusste ich selbst nicht. Kann man mir aber glaube ich nicht verübeln, schließlich bin ich froh, nicht so oft auf Beerdigungen zu sein.

      Der “Lauser” ist häufig auch 坊主 (bôzu).

      Also „Lauser“ ist bei uns eine ironische oder schelmische Anrede für einen Jungen. Vielleicht ist die Bedeutung ja je nach Region anders, aber ich meinte eigentlich nicht, dass damit nur besonders „freche“ Jungen angesprochen werden. xD

      Moment! Auch die liebe Stieffamilie will angeredet werden – von Schwiegermutter und -vater ganz zu schweigen. Dafür gibt es auch im Japanischen eigene Wörter.

      Ist bereits in Planung, aber mir fehlen noch irgendwie die Ideen. Außer Schwiegereltern (und nun halt die Stieffamilie) habe ich bis jetzt noch nichts…

      • 3 | Drekelmann

        Also “Lauser” ist bei uns eine ironische oder schelmische Anrede für einen Jungen.

        Das ist die allgemeine Bedeutung. „Lauser“ ist die Verkürzung von „Lausbube“.

      • 4 | Hughes

        „Kann man mir aber glaube ich nicht verübeln, schließlich bin ich froh, nicht so oft auf Beerdigungen zu sein.“ – Aber Wörterbücher oder ihre digitalen Verwandten wie jisho.org oder wadoku.de, die „bodô“ und „sonpu“ listen, stehen Dir sicher zur Verfügung. Also solltest es zumindest Du Dir selbst „verübeln“ (oder besser gesagt: aus diesem kleinen Lapsus lernen), denn die Kontrolle des Stoffinhalts zählt zweifelsfrei zum Aufgabenbereich des Lehrenden. Ansonsten kann es Dir nur derjenige krummnehmen, der in der Zwischenzeit mit dem Wort hausieren gegangen und damit auf die Nase gefallen ist.

        „Der „Lauser“ ist häufig auch 坊主 (bôzu).“ – Streiche „auch“! Ich dachte mir zwar, daß Du den „Lauser“ in logischer Weiterführung zum vorhergehenden „jô“ meintest, hatte aber auch vermutet, daß Du damit gleichzeitig auf Natsume Sôsekis Roman „Botchan“ (deutscher Titel: „Der Tor aus Tokio“) anspielst, weil darin die Dienerin den Protagonisten mit dem titelgebenden Wort doppeldeutig bedenkt. Nur hatte ich es falsch in Erinnerung, denn sie meint damit neben „junger Herr“ nicht „Lauser“, sondern „Grünschnabel“. Sumimasen.

        „Außer Schwiegereltern (und nun halt die Stieffamilie) habe ich bis jetzt noch nichts…“ – Neben den Schwiegereltern liegen Schwiegertochter und -sohn auf der Hand. Wie Töchter und Söhne, Cousins und Cousinen, Neffen und Nichten sowie Urgroßeltern und die Adoptivfamilie angesprochen werden, könnte man noch erwähnen – die soll es der Sage nach sogar in Japan geben.
        Während der „adoptierte Schwiegersohn“ im Deutschen praktisch nicht von Bedeutung ist (da kaum Erwachsene adoptiert werden), wird sein japanisches Pendant (婿養子, mukoyôshi) im Vergleich dazu geradezu inflationär gebraucht, weil mit ihm die männliche Erbreihenfolge gesichert werden kann. Wie dieser dann von den Schwiegereltern angeredet wird, entzieht sich aber meiner Kenntnis, vermutlich mit „[Name] + san“.
        Weiters soll der Tennô ja mit allen Japanern verwandt sein, schließlich stammt er direkt von Amaterasu ab. Für den äußerst unwahrscheinlichen Fall einer Privataudienz sollte man unbedingt wissen, wie er zu titulieren ist.
        Da das vermutlich noch nicht genug Stoff für ein eigenes Kapitel ist (obwohl man bisheriges auch einfach oben als Nachtrag einfügen könnte): Sie ist zwar mit den wenigsten von uns verwandt, aber was sagt man, wenn man plötzlich Yôko Ono über den Weg läuft? Fluxus-Anhänger würden ja ein „Ihro Gnaden“ in Erwägung ziehen, viele Beatles-Fans wären hingegen einem „Spalterin“ nicht abgeneigt…

        • 5 | naich

          Aber Wörterbücher oder ihre digitalen Verwandten wie jisho.org oder wadoku.de, die “bodô” und “sonpu” listen, stehen Dir sicher zur Verfügung.

          Natürlich, aber meine Aussage von vorhin war bloß etwas schelmisch gemeint. Nicht oft auf Beerdigungen zu sein legitimiert schließlich nicht, nicht zu wissen, wie man sich auf einer zu verhalten hat. Die Kontrolle des Textes auf Richtigkeit zählt leider nicht zu meinen Stärken, weswegen ich mich bis jetzt immer erfolgreich auf die Kommentare verlassen konnte, um den Stoff zu korrigieren 😉

          Nur hatte ich es falsch in Erinnerung, denn sie meint damit neben “junger Herr” nicht “Lauser”, sondern “Grünschnabel”.

          Du versteifst dich zu sehr auf das „Lauser“, denn ich meine überhaupt nicht die wortwörtliche Übersetzung dafür, das soll nur ein Stilmittel in meinem Text darstellen. Ich meinte eine völlig neutrale Anrede für einen jungen… Jungen. Den Roman kenne ich übrigens sogar, aber eine Anspielung darauf hatte ich nicht im Sinn.

          Danke für die Ideen für ein weiteres Kapitel, obwohl es vermutlich noch auf sich warten lassen wird, da ich ehrlich gesagt momentan keine große Lust mehr auf dieses Thema habe.^^

  2. 6 | Zockerfreak

    Gibt es eig einen Unterscheid zu Onibaba oder Baba/Babaa?
    Beides müsste doch eig „Alte Hexe“ bedeuten.

  3. 7 | DigiFox

    婆 also Baba bedeutet eher …
    1. alte Frau -> Oma
    2. alte Mutter

    Hexe kann man in dem Zusammenhang als Beschimpfung betrachten. Mit der Kanjibedeutung hat es aber nix zu tun.

    • 8 | naich

      Oh, okay, hab ich wohl zu verwirrend beschrieben, ich ändere es schnell um…

    • 9 | Zockerfreak

      Ich wollte eig eher auf das ONIbaba (oder so ähnlich) drauf ansprechen.
      Dieses wird hier nicht erwähnt, daher frage ich, ob das irgendwas zu bedeuten hat?!

      • 10 | DigiFox

        Es gibt doch Wadoku? da kannst du die ganzen Deutschen Bedeutungen doch selber nachschlagen.

        Im Prinzip bedeutet es wörtlich:
        1. Ein Geist, der die Gestalt einer alten Frau hat.
        2. Eine grausame herzlose alte Frau beschimpfen.

        Das wörtliche „Hexe“ kennt man vielleicht aus Madoka oder zich anderen Anime: 魔女 majo

      • 11 | Drekelmann

        „Onibaba“ ist so was wie ein geflügeltes Wort und geht auf den Titel des gleichnamigen Films von Kaneto Shindō zurück: http://de.wikipedia.org/wiki/Onibaba_%E2%80%93_Die_T%C3%B6terinnen

  4. 12 | Drekelmann

    Du hast Ehemann, Ehefrau, Schwager, Schwägerin usw. vergessen, naich.

  5. Nein, hat er nicht. Er wollte euch (uns, sich selbst) nur nicht überfordern.

  6. 14 | bluestar

    –wird sein japanisches Pendant (婿養子, mukoyôshi) im Vergleich dazu geradezu inflationär gebraucht, weil mit ihm die männliche Erbreihenfolge gesichert werden kann. Wie dieser dann von den Schwiegereltern angeredet wird, entzieht sich aber meiner Kenntnis, vermutlich mit “[Name] + san”.—
    name + kun von älteren resp. dem papa/mama (selten),
    name + san vom rest
    –Du hast Ehemann, Ehefrau, Schwager, Schwägerin usw. vergessen, naich.–
    eigentlich nur der geliebte kreditkarten-inhaber haz einen eigenen „titel“, anata, der rest name +evtl san etc, es gibt bezeichnungen für den geliebten hausdrachen, aber ich hab da nur die namen gehört bis jetzt. vor fremden sind
    die japanesen sehr sparsam mit vertraulichkeiten.
    boku für die geliebten rangen kommt daher, dass die lieben lausebengels wohl dieses wort als erstes können und es jedem tausendmal um die ohren
    hauen, der nicht aufpasst.

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