Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 35
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 35-
Transkri-Wer?
Schreiben wir doch wieder mal irgendwas über das japanische Schriftsystem, oder besser: etwas über die Umschrift des Schriftsystems.
Als Käpt’n Perry 1853 mit seinen drei Schwarzen Schiffen in Japan eintraf und den Einwohnern die Frauen und Edelmetalle rauben wollte, kamen die Japaner zum ersten Mal mit dem lateinischen Alphabet in Berührung. Sie hatten zuvor nur ihre drei bösen Zeichensätze – die beiden Kana-Alphabete und die von den Chinesen geklauten Kanji. 1885 kam dann ein braver amerikanischer Missionar namens James Curtis Hepburn nach Japan und entwickelte gemeinsam mit einigen anderen klugen Leuten ein japanisch-englisches Wörterbuch. Da aber die meisten Amerikaner damals (und heute eigentlich auch noch nicht) keine Kana und Kanji lesen konnten, erfand der gute Hepburn ein System, mit dem man japanische Kana in westlicher lateinischer Schrift darstellen konnten – das Hepburn-System.
Es ist also das traditionelle japanische Transkriptionssystem.
In Hepburn ist es möglich, manche Vokale, die hintereinander vorkommen, zu einem Zeichen zusammenzufassen. Dazu verwendet man ein unheimlich kompliziertes und verschnörkeltes Zeichen – einen Strich (das sog. Makron).
Original | Alternative |
OO | Ō |
OU | Ō |
UU | Ū |
AA | Ā |
Ā kommt allerdings sehr selten bis gar nicht vor. Diese Alternativschreibungen sind kein Muss, es ist Geschmackssache, welche Variante man benutzt. Ich bevorzuge die Originalschreibung, weil es dann keine Verwechslungen zwischen OO und OU geben kann. Oh, und diese Regeln gelten übrigens auch für Katakana, aber da wird man wohl eher auf einen Vokal mit einem Chouon treffen als auf einen Doppelvokal. Zusätzlich kann man bei Katakana auch Ē oder Ī benutzen, aber das tut fast niemand und kommt auch extrem selten vor.
Kommen wir zum kleinen TSU. Wie wir wissen, verdoppelt ein kleines TSU den nächsten Konsonanten (bzw. gibt eine Sprechpause vor), aber unser lieber Hepburn war leider nicht so schlau wie angenommen und hat nicht spezifiziert, wie es in Kombination mit CHI in lateinische Buchstaben umzuschreiben ist. Deswegen existieren zwei Varianten:
1) Die alte Variante: Wir orientieren uns an der englischen Phonologie und schreiben „TCHI„.
2) Die neue Variante: Wir ignorieren die englische Aussprache und sagen einheitlich, dass ein kleines TSU alle nachfolgenden Konsonanten verdoppelt. Heraus kommt „CCHI„.
Deswegen ist sowohl „etchi“ als auch „ecchi“ erlaubt, aber die erste Variante ist nicht mehr wirklich gängig.
ĀĀĀAAAaaaaber es gibt noch etwas viel Schlimmeres als das, und zwar die Kombination OU. Hier hat Hepburn zwar gesagt, dass OU oder Ō die richtige Transkription wäre, aber das hat viele Übersetzer nicht davon abgehalten, daraus ein OH oder – noch schlimmer – ein HO zu machen (zB bei Azumanga Daioh und bei Tenjho Tenge). Diese Schreibung ist absolut grausam und außerdem schrecklich veraltet, also bitte: Schreibt OU oder Ō!
Zum Abschluss von Hepburn noch das berühmte MP/NP-Dilemma. Was ist richtig, Senpai oder Sempai? Die Antwort lautet: Beides. Spricht man dieses Wort aus, stellen sich die Lippen noch vor dem P in die richtige Position, um diesen Laut auszusprechen, und das ist zufälligerweise dieselbe Stellung, die ein M benötigt. Sempai orientiert sich also rein an der Aussprache, während Senpai eine direkte Transkription der Zeichen bevorzugt. Ich halte nicht viel von der MP-Schreibung, aber das ist Geschmackssache. Diese Schreibung kommt ohnehin langsam aus der Mode.
Wir befinden uns im Jahre 2012 nach Christus, und die ganze Welt benutzt Hepburn als japanisches Transkriptionssystem. Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Transkriptionen bevölkerter Teil der Welt hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Dennoch ist das Leben nicht leicht für die Verfechter der Nicht-Hepburn-Umschriften, die ihre Transkriptionen Nippon, Kunrei und JSL bis zum Schluss verteidigen…
- Das Nippon-System ist eine etwas abgeänderte Version des Hepburn-Systems. Es wurde von einem japanischen Naturwissenschaftler entwickelt, der dachte, das Hepburn-System habe irgendwelche argen Schwächen, die man beseitigen müsse, aber wer weiß, ob er einfach nur zu viel Freizeit hatte.
Außer ein paar Schreibweisen hat sich nichts geändert, mit Ausnahme der Makron-Schreibung, denn im Gegensatz zu Hepburn wird beim Nippon-System jeder doppelt vorkommende Vokal mit Makron geschrieben.
- 1937 hat sich die japanische Regierung gedacht: „Ach, was soll’s, wir haben zwar schon zwei tolle Transkriptionssysteme, aber wir brauchen natürlich noch ein drittes, damit wir die Ausländer richtig fies abschrecken können!“ Und so entstand das Kunrei-System, welches auf dem Nippon-System basiert. Kunrei ist zwar standardisiert und ist Japans offizielles Transkriptionssystem, aber in der Praxis verwendet trotzdem fast jeder Nicht-Japaner Hepburn.
Fairerweise muss man aber sagen, dass Kunrei zumindest den Vorteil hat, dass es statt eines Makrons ein Zirkumflex (das Häuschen-Zeichen ^) benutzt, sodass es auf einer westlichen Tastatur leicht eingegeben werden kann und man nicht immer in der Windows-Zeichentabelle oder auf Wikipedia copypasta’n muss.
- Okay, bereit für euren schlimmsten Alptraum? Es gibt nämlich noch etwas Böseres als Kunrei, und das nennt sich JSL. Es basiert auf Kunrei, ist also die Modifikation einer Modifikation einer Modifikation eines Transkriptionssystems. Was zum Fick. (Hurra für Blocksatz!)
Entwickelt wurde es von einer amerikanischen Linguistikerin, die ein lehrreiches Buch über die japanische Sprache schrieb (oder zumindest wollte sie es lehrreich schreiben), und dafür brauchte sie ein System, das die Tonhöhe eines japanischen Zeichens anzeigt. Ja, richtig gelesen, die verdammte Tonhöhe. Neben dem Zirkumflex, der das Makron ersetzt, gibt es noch den Akut (´) und den Gravis (`). Ich erspare euch die genaue Bedeutung dieser Zeichen. Wenn jemand genaueres wissen will, soll er sich den doch recht informativen (ja, ernst gemeint!) deutschen Wikipedia-Artikel zu JSL durchlesen.
Hier die grundsätzlichen Abweichungen der drei alternativen Transkriptionssystemen im Vergleich zu Hepburn:
Und gaaaaanz zum Schluss noch eine letzte kleine Information, weil ich ständig danach gefragt werde: Wörter wie „Tokyo“ und „Osaka“ darf ich deswegen so schreiben (obwohl man eigentlich „Toukyou“ und „Oosaka“ schreiben müsste), weil es Eigennamen sind und der Duden es so vorgibt. Auch „Tokio“ ist eine legitime Schreibung.
Viel Text, wenig Kurioses, damit mache ich mir Fans!
Datum: 14.10.2012
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs
Link: #8235
Ich finde „Tokio“ is ganz schrecklich zu lesen:s Wenn ich handschriftlich schreibe, schreibe ich immer Tokyo mit Längenzeichen über den Vokalen und natürlich mit „y“ anstatt „i“. Das ist einfach richtiger, weil es näher am 京(きょう) dran ist.. und das untergestellte ょ eben „yo“ gelesen wird.
Wenn ich mit der Tastatur schreibe, lasse ich die Längenzeichen weg, weil ich sie nie finde :s
俺は機会音痴だなあw
Link: #8242
Beschwer dich beim Duden ;D
Link: #8266
Dank meines Deutschlehrers bin ich im wahrsten Sinne des Wortes ein „Grammarnazi“ geworden 😀
So, und wenn ihr jetzt noch nen schnelleren Server hättet, könnte ich die neuste Episode von Shinsekai Yori auch noch sehen :s
Genug gemeckert :X
Link: #8272
—Als Käpt’n Perry 1853 mit seinen drei Schwarzen Schiffen in Japan eintraf…—
der käpt´n war eigentlich nur commander….
perry war angehöhriger der us navy und hatte einen dienstgrad,
commander, oberstleutnant. seine dienststellung war commodore,
flottenführer einer flotte bis drei us-kriegsschiffe.
ab 4 schiffen hätte er eine eigene flagge führen dürfen und
wäre in einer admirals-dienststellung gewesen.
eine eigene flagge ist allerdings keine rein militärische angelegenheit,
sondern auch ne hochgradig politische.
damit hätte die us-regierung ihm hohe politische legitimität verliehen,
sozusagen verhandlungsvollmachten usw., botschafter-bevollmächtigung…,
und sich nicht mehr rausreden können, wenn dieses japan-ding in die hose gegangen wäre.
so hatte die us-regierung immer die möglichkeit, sagen zu können,
tja, wir haben den deppen nicht geschickt, tut uns leid.
Link: #8285
und dafür brauchte sie ein System, das die Tonhöhe eines japanischen Zeichens anzeigt.
Wie schön, vor allem, da die japanischen Silben an sich keinerlei Tonhöhe beinhalten. Da ich gelernt habe, dass die Betonung im Japanischen von Dialekt zu Dialekt abweichen kann und deswegen zum Beispiel íma = jetzt und imá = Wohnzimmer (das war kein JSL) nicht immer zuverlässig stimmen, frage ich mich nun, ob und wenn ja wie verbreitet JSL in Japanischlehrgängen überhaupt ist.
Link: #8289
@Drekelmann: An sich haben die Silben keine Tonhöhen, jedoch wäre es ein Irrtum zu glauben, das zusammengesetzte Wörter keine Tonhöhen haben! Das ist der sog. Pitch Accent im Japanischen. Viele kriegen ihn nach Gefühl/Ohr hin, aber bei einigen Wörtern muss man es einfach gelernt haben.
Link: #8292
Ich find’s auch toll, dass ich das mit dem Pitch-Accent im Japanischen nicht im Japanischunterricht, sondern in einer Linguistik-Vorlesung, die ich mehr oder weniger nur zufällig besucht habe, erfahren habe.
Wofür zum Geier hab ich Japanologie studiert?
Link: #8305
Um nicht Japanisch zu können :s
Japanologie hat tatsächlich sehr wenig damit zu tun, die Sprache nachher wirklich auch zu beherrschen. Das tun aus meiner Erfahrung bis lang nur 1%. Pitch accent entscheidet darüber, ob man als 日本語を勉強してる外人 oder als 異国の方 (etwas höflicher und respektvoll im Vgl. zu 外人) wahrgenommen wird.
Link: #8307
Und was kann man dann deiner Erfahrung nach tun, um sie tatsächlich zu beherrschen? Das wär nämlich eigentlich schon eines meiner Ziele, und ich hatte schon vor, mich mit einem Studium näher an das Ziel zu bringen xD
Link: #8315
Ich kenne eigentlich keinen, der Japanisch wie ein Muttersprachler spricht, d.h. so, dass man am Telefon nicht mehr erkennt, ob es ein Japaner ist oder nicht. Die Leute, die ich kenne und die sowas können, haben täglich 7 Stunden Japanisch im Selbststudium gelernt und haben min. ein Jahr in Japan gelebt (nach fortgeschrittenem Studium).
Link: #8316
Hm, okay, das mit den 7 Stunden könnte knapp werden, denn ich hab nicht mal 7 Stunden Freizeit täglich, aber das kommt dann hoffentlich nach meiner Schulzeit, die ja nicht mal mehr ein Jahr läuft.
Meinst du also, ein Studium diesbezüglich würde gar nichts bringen?
Link: #8318
Pitch Accent hin oder her (wie gesagt, ich wusste, dass es den gibt, aber nicht, wie wichtig oder unwichtig er ist), das bestätigt aber nur mein Wissen (die Silben haben an sich keine Tonhöhe) und beantwortet meine Frage nicht, es sei denn, die Antwort mit der Wahrnehmung soll bedeuten, dass JSL nur in Fortgeschrittenenkursen im Japanologie-Studium verwendet wird.
Link: #8324
Ich würd eher behaupten, JSL wird von Japanologen gar nicht verwendet. Ist mir jedenfalls in den ganzen 3 Jahren nie untergekommen.
Wahrscheinlich wird es nur/hauptsächlich von Linguisten benutzt, weil für die so was wichtig ist.
@naich
Ein Studium bringt schon was. Zumal man da ein Stipendium für ein oder mehrere Semester Aufenthalt in Japan bekommen kann.
Wenn du jetzt aber schon gut Japanisch kannst (du weißt ja schon ne ganze Menge), dann bringt ein Studium vielleicht wenig, wenn es dir nur um die Sprache geht. Dann ist vielleicht ein work-and-travel-Jahr in Japan oder so was nützlicher.
Link: #8325
Ich kenne eigentlich keinen, der Japanisch wie ein Muttersprachler spricht, d.h. so, dass man am Telefon nicht mehr erkennt, ob es ein Japaner ist oder nicht.
Ich würde sogar sagen, eine Fremdsprache ganz ohne ausländischen Akzent zu sprechen, kriegt kaum jemand hin, bzw. das wird einem bei kaum einer Sprache gelingen. Insofern also wohl kein Japanisch-typisches Phänomen.
Aber: Wenn du am Telefon erkennst, dass jemand, der Japanisch spricht, kein Muttersprachler ist, liegt das dann nur am (falsch gemachten) Pitch Accent oder an anderen Aussprachefehlern oder an falsch verwendeten Vokabeln bzw. an der Grammatik? (Denn eigentlich kann man das alles ja lernen, ob man nun 7 Std. täglich dafür braucht oder weniger oder mehr.)