Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 39

 

Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte

Kapitel 39-

Oh!


Hurra, der traurige und einsame Christian G. (Name nicht verändert) hat endlich online die Liebe seines Lebens getroffen – und sie ist noch dazu eine Japanerin! In zehn Minuten soll sie ihn zu Hause besuchen! Schnell kramt Christian sein verstaubtes Deutsch-Japanisch-Wörterbuch aus seinem Regal hervor und sucht ein paar Wörter, um seinen Schwarm mit seinen fortgeschrittenen Kenntnissen zu beeindrucken. Ach so, „Hallo heißt also „Konnichi wa“? Oder sollte ich sie vielleicht mit „shiiguhairu“ ansprechen? Ne, besser was Neutraleres wie „Hallo, mein Gast“, das kommt immer gut. Was heißt „mein“ und was heißt „Gast“? Ah, „watashi no“ und „kyaku“. Gut, ich bin bereit! Acht Minuten später läutet die Glocke an Christians Wohnung. Er stürmt an die Tür, öffnet sie mit einem Ruck und ruft in den Gang vor seiner Haustür: „Shiiguhairu, watashi no kyaku!“ Sein Gast ist entsetzt, dreht sich um, läuft davon und lässt einen perplexen Christian im Türrahmen stehen.

Frage: Was hat er bloß falsch gemacht?

Antwort 1: Er hat offensichtlich den ollen Schreihals aus Braunau begrüßt.
Antwort 2: Er hat nicht bemerkt, dass nicht seine Internetbekannte, sondern ein paar Werber von den Zeugen Jehovas vor der Tür standen. (Gute Strategie!)
Antwort 3: Er hat das Höflichkeitspräfix „o“ bei „kyaku“ vergessen. (Und das Anredesuffix, aber das soll uns nicht stören~)

Lange Einleitung ist lang, aber vielleicht hab ich ja jetzt Interesse geweckt.

 

Wieder einmal befinden wir uns in der japanischen Höflichkeitssprache. o- und go- hat man früher verwendet, um dem Gesprächspartner gegenüber Respekt auszudrücken, und das hat man ziemlich oft gemacht. Frauen wurden im feudalistischen Japan meistens mit o-„Name“-san/sama/leberwurst angesprochen. Eigentlich wurde im alten Japan fast jeder Gegenstand, was jemand anderem gehörte, mit o- oder go- benannt. Überhaupt war alles, was zu der Zeit in Japan Alltag war, mächtig kompliziert. Damals hatte man zum Beispiel nicht nur o- und go-, sondern auch noch gyo-, on- und mi-, aber die haben alle was mit dem Kaiserhaus zu tun oder sind heute schlicht nicht mehr  als eigenständige Präfixe in Verwendung. Stattdessen zählt es zum Wort selbst (zB onsha oder mikado).

Übrigens verwenden alle fünf Präfixe dasselbe Kanji – – was aber relativ unwichtig ist, da heutzutage sowieso das jeweilige Präfix in Kana geschrieben wird.

Heute gibt es eigentlich nur mehr zwei Verwendungen für o- und go- .

Zum einen wären das Gegenstände, die dem Gesprächspartner gehören. Wenn man höflich zu ihm sein will, muss man natürlich auch höflich zu seinem Besitz (auch immateriellem!) sein und alles und jeden mit o- oder go- anreden. Taku (Haus) wird zu o-taku, namae (Name) wird zu o-namae, und shigoto (Arbeit) wird zu o-shigoto. Klingt logisch, oder? Nicht? Dann frag die Japaner, die haben dieses komische System erfunden.

Zum anderen sind das gewisse fixe Phrasen. Vor manchen Gegenständen (oder sogar Verben) hatte man früher großen Respekt, und man verwies auf sie mit o- oder go- . Han (Reis) und cha (Tee) sprach man immer höflich an, und heute verwendet man auch kaum noch was anderes als go-han und o-cha (wobei in der Umschrift eher gohan und ocha üblich ist). Auch hört man naka (Bauch) im Alltag fast nie alleinstehend, stattdessen verwendet jeder, der auch nur einen Funken Anstand besitzt, o-naka. Bei manchen Wörtern kann man sich es aber aussuchen. Redet man höflich, sollte man statt yukkuri (langsam, gemütlich) oder genki (gesund, voller Energie) lieber go-yukkuri und o-genki sagen.

Bei biiru (Bier) kann man es sich auch aussuchen, aber der große Biergott wird euch sicher bestrafen, wenn ihr nicht o-biiru sagt. Allgemein ist diese Höflichkeitssprache aber wieder den Frauenzimmern vorbehalten, denn es klingt schon arg seltsam, wenn ein Mann bei einem Hardcore-Männerabend ein o-biiru bestellt. Bier ist nicht das einzige Fremdwort im Japanischen, dem ein Höflichkeitspräfix spendiert wurde, aber das ist dennoch eher die Ausnahme als die Regel.

Autor:
Datum: 18.11.2012
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs

  1. 1 | Bakamealz

    Du hast bei Jesus das obligatorische Christus vergessen :V

  2. 2 | bluestar

    o-jesus bitte !

  3. 3 | Zockerfreak

    Hört ohayo (gozaimasu) auch dazu?
    Wenn ja, müsste dann ohayo nicht o-hayo lauten oder gehen beide Varianten?

    • 4 | naich

      Ja, das O von ohayou gozaimasu (御早う御座います, wörtl. „es ist früh“ – hier kommt das 御 übrigens zweimal vor) ist eigentlich auch ein Höflichkeitspräfix, aber du „musst“ den Bindestrich nicht schreiben, das ist nur meine persönliche Vorliebe. Schließlich wurde dafür nie etwas spezifiziert. Für ohayou (und onee und ocha usw.) hat es sich im Westen eingebürgert, den Strich komplett wegzulassen.

  4. 5 | Zockerfreak

    ok, Danke für die Info 🙂

    Eine Frage hätte ich aber, diesbezüglich, noch ^^

    In einigen Fansubs wird Ohayou mit „Morgen“ (von Guten Morgen) übersetzt. Guten Morgen lese ich zumindest oft in Fansubs, wo Ohayou Gosaimasu gesprochen wird. Da das O ein Höfflichkeitspräfix ist, müsste dann Ohayou nicht auch Guten Morgen heissen? Ich geh davon aus, dass das O, wie ebend gelernt, was Höffliches ist und da „Guten“ auch was Höffliches bedeutet, müsste das dann nicht doppelt gemoppel sein, wenn man Ohayou Gosaimasu (Guten Morgen) sagt?

    • 6 | Drekelmann

      Das System der Höflichkeitspräfixe, -suffixe und so weiter lässt sich nicht wörtlich ins Deutsche übertragen. Wenn Naich schreibt, „Vor manchen Gegenständen hatte man früher großen Respekt“, dann ist das genau der etymologische Ursprung dieser Präfixe (übrigens auch für Naturphänomene – o-tenki etc., das geht dann in Richtung Respekt vor der dazugehörigen Shintou-Gottheit), und da wir so was im Deutschen nicht haben, lässt sich das 1:1 nicht übersetzen. Das Höflichkeitspräfix „o“ in „Ohayou“ drückt Respekt vor der Frühe aus (was im Deutschen komisch klingt, „Respekt vor der Frühe“), das „gozaimasu“ macht die gesamte Phrase so höflich, dass man sie Höhergestellten gegenüber verwenden darf. Die Trennung Ohayou gozaimasu = guten Morgen / ohayou = Morgen ist eine relativ willkürliche Trennung im Deutschen, die ausdrücken soll, dass „Ohayou“ ohne „gozaimasu“ etwas weniger formal, etwas familiärer ist, wie man eben eher im familiären oder Freundeskontext „guten Morgen“ zu „Morgen“ verkürzt und eher weniger in einem offiziellen Kontext.

      Gesetzt dem unwahrscheinlichen Fall, dass ich Mist erzählt habe, sollen Naich, Toto oder sonstwer mich bitte korrigieren…

      • 7 | naich

        Ne, passt schon so. Hatte bloß keine Gelegenheit (bzw. habs kurzfristig vergessen), um zu antworten^^
        Es geht wie immer darum, den Sinn einer Phrase zu erfassen und diese dann so ins Deutsche zu übertragen, dass keine für uns verständliche Bedeutung verloren geht. Wortwörtlich aus dem Japanischen zu übersetzen ist das Dümmste, was man tun kann^^

        • 8 | Drekelmann

          > Wortwörtlich aus dem Japanischen zu übersetzen ist das Dümmste, was man tun kann

          Nicht nur aus dem Japanischen. Es heißt zwar immer „So frei wie nötig, so wörtlich wie möglich“, aber de facto geht es doch immer nur darum, den Sinn – nicht mehr und nicht weniger – ‚rüberzubringen. Und beim wörtlichen Übersetzen geht (eigentlich immer) mehr Sinn verloren, als wenn man „völlig frei“ übersetzt. Schließlich ist auch völlig freies Übersetzen nicht wirklich „frei“, sonst hätte die Übersetzung mit dem Original ja gar nichts mehr zu tun.

          Okay, das war jetzt irgendwie ein überflüssiger Kommentar, aber was soll’s…

          • 9 | naich

            Nein, im Gegenteil, du sprichst mir von der Seele und all jenen entgegen, die ein nahezu gestörtes Verhältnis zur japanischen Sprache haben und sich selbst gerne „Anime-Fans“ schimpfen und mit „Weeaboo“ beschimpft werden. xD

            Leute, die sich mit anderen Sprachen so exzessiv „befassen“, kenne ich nicht, aber da wird es vermutlich sehr ähnlich sein.

          • 10 | Drekelmann

            Leute, die sich mit anderen Sprachen so exzessiv “befassen”, kenne ich nicht

            Ich auch nicht (außer höchstens Englisch, na ja), aber es ist ja auch nicht das exzessive Befassen mit einer Sprache. Japanisch wird außer von Japanern von fast niemandem auf der Welt gesprochen, darum fallen die paar Deppen, die’s nicht draufhaben, aber draufzuhaben glauben, natürlich deutlich mehr ins Gewicht. Aber überleg mal, wie viele schöne Neuerungen im Deutschen wir (schlechten) wörtlichen Übersetzungen aus dem Englischen verdanken: „Sinn machen“, „in 2012“, „in Englisch geschrieben“, „Handy’s“, „Reparatur Annahme“…

            Treffer, versenkt…

  5. 11 | Zockerfreak

    Ah, ok… Danke für eure Antworten ^^

  6. 12 | Drekelmann

    Er hat nicht bemerkt, dass nicht seine Internetbekannte, sondern ein paar Werber von den Zeugen Jehovas vor der Tür standen. (Gute Strategie!)

    Klappt das auch, wenn man die mit 「エホバの証人の方がサイエントロジー人より良いですよ!」 begrüßt?

    Okay, jetzt die ernsthaften Fragen:

    1. Was sage ich, wenn ich etwas ausdrücken möchte wie „Ich bin besser geworden“ oder „Mein Japanisch ist besser geworden“? Als Vergleichsobjekte kann ich dann ja allerhöchstens die Vergangenheit oder Gegenwart angeben (bzw. den Zustand davon). Gut, passt eigentlich eher zum letzten Kapitel, aber ich bin nun mal gerade hier.

    2. Das passt jetzt höchstens zu Kapitel 24, aber egal:
    Für einen Satz wie „Ich mag (es), dass du das machst“ würden wir, wenn wir ihn ins Japanische übersetzen, ja eine Konstruktion mit ~するのが好きです benutzen. Welches Pronomen würden wir für „das“ verwenden, bzw. welche Konstruktion drückt das aus, was wir mit „das“ meinen? その事? Oder そんな事? Und wenn wir statt „Ich mag es, dass…“ eher „Ich mag es, wenn…“ ausdrücken wollen, welche Konstruktion für den Nebensatz / die Nominalisierung wird da verwendet?

    Hoffe, du/ihr versteh(s)t, was ich meine…

    • 13 | naich

      1) Hätte ich mit なる gelöst. 日本語が良くなった。

      2) その事 würde ich mit そんな事 gleichsetzen, aber ersteres klingt ehrlich gesagt etwas… seltsam, auch, wenn es korrekt ist.

      Und wenn wir statt “Ich mag es, dass…” eher “Ich mag es, wenn…” ausdrücken wollen, welche Konstruktion für den Nebensatz / die Nominalisierung wird da verwendet?

      Ich denke nicht, dass man solche Sätze 1:1 ins Japanische übertragen kann, da „wenn“ und „dass“ in diesem Kontext das gleiche bedeuten, aber so etwas wie 貴方が描くと、そんな事が好きです kommt dem glaube ich recht nahe.

      • 14 | Drekelmann

        Danke.

        Aber:
        1) 日本語が良くなった kann genauso gut „(Mein) Japanisch ist gut geworden“ heißen, und das ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit „…ist besser geworden“. Mit meinem Satz will ich ausdrücken, dass mein Japanisch sich verbessert hat (aber trotzdem noch nicht „gut“ ist), deine Version impliziert, dass mein Japanisch gut geworden sei – und daher jetzt schon „gut“ ist. Und das war meine eigentliche Frage – wie man diese Veränderung in eine Richtung, ohne dass das „Ziel“ bereits erreicht ist, im Japanischen ausdrücken kann…?

        2) Die beiden Sätze „Ich mag es, dass du das machst“ und „Ich mag es, wenn du das machst“ sind in diesem Kontext auch nicht gleichbedeutend. Der erste impliziert, dass jemand („du“) gerade etwas macht und der Sprecher diese Handlung gut findet; der zweite Satz impliziert, dass der Sprecher diese Handlung jedes Mal gut findet, wenn sie vom Angesprochenen durchgeführt wird, der Angesprochene sie aber nicht unbedingt in dem Moment gerade ausführt. Ich kann deine Version mit と-Konditional aber nachvollziehen (bis auf das 描く) und finde sie auch passend, frage mich aber, ob die Implikation „immer wenn, dann“ so auch vorhanden ist.

        • 15 | naich

          1) Ich denke, du verstehst da etwas falsch, 良くなる impliziert nicht, dass man in etwas „gut“ geworden bist, sondern eben „besser“. Willst du umgekehrt ausdrücken, dass du mittlerweile schon gut Japanisch sprichst, sagst du eher 日本語で上手になった。

          2) Okay, jetzt verstehe ich dich. Das würde ich dann mit たび oder たびに ausdrücken, also 貴方が描くたびにそんな事が好きです。 Ehrlich gesagt klingt dieser Satz nun etwas komisch, aber grammatikalisch müsste das stimmen.

          bis auf das 描く

          Wieso das denn? Verwendet man denn üblicherweise ein anderes Wort für „malen“?

          • 16 | Drekelmann

            良くなる impliziert nicht, dass man in etwas “gut” geworden bist, sondern eben “besser”

            Dann nimm das bitte in den Artikel auf, ich finde nämlich nicht, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, immerhin wird „yoi“ üblicherweise mit „gut“ übersetzt und nicht mit „besser“, also: 良くなる -> naiv als „gut werden“ verstanden, nicht „besser werden“

            Ehrlich gesagt klingt dieser Satz nun etwas komisch

            Nun, komisch soll er ja nun nicht unbedingt klingen. Wär‘ irgendwie schön, wenn deswegen mal jemand wie Toto oder so vorbeischauen könnte.

            Verwendet man denn üblicherweise ein anderes Wort für “malen”?

            Keine Ahnung, aber wie kommst du überhaupt auf „malen“?

          • 17 | naich

            Dann nimm das bitte in den Artikel auf

            Ich kann mich nicht daran erinnern, einen Artikel über なる geschrieben zu haben. xD

            Nun, komisch soll er ja nun nicht unbedingt klingen.

            Damit meinte ich, dass es sehr ungewöhnlich ist, die japanische Grammatik in dieser Art zu verwenden. „Ich tue den Rasen mähen tun“ ist (denke ich) grammatikalisch auch korrekt, aber halt sehr seltsam.

            Keine Ahnung, aber wie kommst du überhaupt auf “malen”?

            Das war nur irgendein Beispielverb. Hatte halt zuvor Hidamari Sketch editiert und kam irgendwie darauf. Wo liegt das Problem?

          • 18 | Drekelmann

            Ich kann mich nicht daran erinnern, einen Artikel über なる geschrieben zu haben

            Das nicht, aber einen über Vergleiche. Und ich finde, wenn man von Vergleichen redet – die im Deutschen ja mit dem Komparativ oder Superlativ gebildet werden -, kann man auch auf solche Fälle wie „besser werden“ etc. eingehen.

            Damit meinte ich, dass es sehr ungewöhnlich ist, die japanische Grammatik in dieser Art zu verwenden.

            Wenn es ungewöhnlich klingt, ist es ja keine optimale Übersetzung. Darum meinte ich ja: Wäre schön, wenn Toto etc. da mal drüberschauen könnten, er weiß vielleicht, wie man meinen Satz sinnerhaltend in schönes, idiomatisches Japanisch übersetzen könnte. Aber was soll’s.

            Wo liegt das Problem?

            Es gibt kein Problem, ich hatte mich nur gefragt, wie du von meinem als する schon vorgefertigten „machen“ auf „malen“ gekommen warst. Entschuldigung.

          • 19 | naich

            Das nicht, aber einen über Vergleiche.

            Der Artikel handelt aber über より und 方, mit welchen man Vergleiche bilden kann. Ich hab nie behauptet, dass es keine anderen Varianten dafür gibt.
            Aber gut, dass du es erwähnst – Jetzt hab ich ein weiteres Thema, über das ich schreiben kann 😉

  7. 20 | Schnitzelschale

    Das Oktoberfest-Anime-Bild finde ich ganz formidabel. Wo hast du das her? :O

  8. 25 | Schnitzelschale

    Wunderbar, jetzt versteh ich auch, was das ご in 晩ご飯 und 朝ご飯 zu suchen hat xD

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