Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 55

 

Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte

Kapitel 55-

Verdammt noch mal, Peter, jetzt hör mal auf zu essen

 

Stellen wir uns für einen Moment mal vor, wie die Welt wohl aussehen würde, wenn wir den Kapitalismus besiegt haben und gemeinsam in einer Kommune für den Staat arbeiten. Marx und Lenin würden lächelnd vom Himmel auf uns herabsehen und sich darüber freuen, wie wir unseren persönlichen Besitz aufgegeben haben und uns dem Volk als Eins widmen. Doch wie uns die Vergangenheit gelehrt hat, ist so ein perfekter Marxismus viel zu labil, um ihn lange zu halten, und schließlich werden wir mit unserem neuen Diktator in einen dritten Weltkrieg geführt, der die halbe Erde in einen nuklearen Winter versenkt.

Meine Metaphern sind mies…

Ich schreibe hier einen verdammten Sprachkurs und vergess dabei die Bezüge zur Sprache, genial. Was ich damit sagen wollte, ist, dass wir mal für einen Moment so tun sollen, als gäbe es keinen grammatischen Besitz, keinen Possessiv in irgendeiner Form und Weise. Im konkreten Fall der japanischen Sprache würde ich damit wohl meinen, dass wir auf verzichten. Zur Erinnerung: ist die japanische Possessivpartikel, die einen Besitz oder eine Zugehörigkeit anzeigt. (クルトの猫 -> Kurts Katze; 私の財布 -> Meine Brieftasche etc.) Hier hab ich’s etwas genauer erklärt.

Was machen wir da? Nun, es gibt im Japanischen eine Art Umweg über eine recht oft verwendete Satzkonstruktion, die hier im Kurs bisher aber noch nie erwähnt wurde. Die Rede ist von:

SUBJEKT は OBJEKT が PRÄDIKAT

Und bevor ich nun näher darauf eingehe, sollte sich jeder Leser, der nicht weiß, was und aussagen bzw. was der Unterschied ist, dieses Kapitel durchlesen. Ich mein’s ernst, klick den Link. Wirklich jetzt, klick drauf und lies. Ja, auch du. Und du auch. Ne, du nicht, du besserst mir ja bloß wieder nur Rechtschreibfehler in alten Artikeln aus.

Gelesen? Gut.

Wie wir jetzt alle wissen, wird in all den Lehrbüchern und Erklärtexten über das Wörtchen immer die direkte Übersetzung mit „was… betrifft“ erwähnt. Das hilft uns in dem Fall sehr gut weiter, weil es den Unterschied zwischen einem Subjekt und einem Satzthema deutlich macht. Holen wir uns doch mal wieder unseren Lieblings-Beleibten als Beispiel her. Hey, Peter!

„Ja?“

„ペーターは腹が大きい。“

„Äh, danke!“

Ach, Peter, du musst noch ’ne Menge lernen. Wie üblich hab ich ihn natürlich mal wieder beleidigt, und zwar wortwörtlich mit „Peters Bauch ist groß“. So einen seltsamen Satz könnt ihr aber gleich wieder aus euren Gedächtnissen streichen…

„Ey, du Trottel, in dem Satz is ja ’n ’Peters’ drin! Haste nich grad noch gesagt, wir verzichten auf ’nen Possessiv, du Penner?“

Halt endlich mal dein fettes Maul, dummer, vorlauter Schüler. Du hast dich in 55 Kurskapiteln schon so oft gemeldet, du bist mittlerweile ein schlimmerer Running Gag als die kleine Fee der japanischen Sprache. Aber ehrlich gesagt hast du recht, in der Übersetzung steht „Peter“ im sächsischen Genitiv, obwohl wir in der japanischen Version auf die Possessivpartikel verzichten. Daran ist aber nicht die Übersetzung schuld, sondern die deutsche Sprache. Wir können so einen Satz im Deutschen nicht aussagen und gleichzeitig auf eine Besitzanzeige verzichten. Es sei denn natürlich, wir verwenden, wie oben erwähnt, die Konstruktion mit „was… betrifft“, dann würde der Satz nämlich folgendermaßen aussehen:

„Was Peter betrifft, der Bauch ist groß.“

Um welchen Bauch es sich handelt, geht also technisch gesehen nur aus dem Kontext hervor, praktisch wird das gesamte Satzkonstrukt aber immer als fester Ausdruck gewertet und das Subjekt „gehört“ immer dem Satzthema. als Thema des Satzes nennt also (aus Mangel an einem aufschlussreicheren Wort) das übergeordnete „Thema“ der kompletten Aussage, während das Subjekt mit genauer spezifiziert, worüber eigentlich eine Behauptung gemacht wird.

Aber diese Konstruktion muss nicht immer einen direkten Besitz ersetzen. Manchmal kann man damit auch Dinge aufzeigen, die nicht unbedingt physisch zum Satzthema zuordenbar sind. Erinnert sich noch jemand an Haganai? Diesen dummen Anime über einen Schulklub voller Leute ohne Freunde? Mit diesem weiblichen Hauptcharakter, von dem du ’ne Menge Fan-Zeichnungen in deinem versteckten Ordner verstaut hast? Die Serie heißt mit vollständigem Namen 僕は友達が少ない. Da 少ない ein i-Adjektiv ist und sich der Titel daher nicht anständig ins Deutsche übersetzen lässt (außer, man findet „Meine Freunde sind wenig“ einen tollen Titel), kann man auf eine Besitzanzeige verzichten und einfach „Ich habe nicht viele Freunde“ sagen. Wieder gilt: 僕は ist quasi die Wurzel im Aussagenbaum, die das allgemeine Satzthema vorgibt, und 友達が ist der Ast, der konkreter an die Sache herangeht und etwas aus dem Thema hervorhebt. „Was mich angeht, es gibt wenig Freunde.“

Satz Transkript Übersetzung
セップは髭がながい。 Sepp wa hige ga nagai. Sepp hat einen langen Bart.
オランダは山が高い。 Oranda wa yama ga takai. Die Berge in Holland sind hoch.
我輩はお鼻が痒い。 Wagahai wa o-hana ga kayui. Das Geruchsorgan meiner Wenigkeit ist gereizt.
イギリスには美食がない。 Igirisu ni wa bishoku ga nai. Die englische Küche hat nix zu bieten.
ゾンビはサッカーが上手です。 Zonbi wa sakkaa ga jouzu desu. Zombies sind ausgezeichnete Fußballspieler. Soll kein Kommentar auf den Ausgang der letzten WM sein. Zumindest kein sinnvoller.
鶏の国は鶏がいる。 Niwatori no kuni wa niwatori ga iru. Im Hühnerland gibt es Hühner. Ja, tut mir leid, mir sind die Beispiele ausgegangen.

 

und sind erneut ein schrecklich kompliziertes Thema und es ist sehr schwierig, die Bedeutungen jemandem näherzubringen, dem die Sache nicht in Fleisch und Blut übergelaufen ist. Man könnte ganze Doktorarbeiten über diese beiden Wörtchen schreiben. Da ich aber weiß, dass meine drei Leser ohnehin schon Profis sind, mach ich mir keine Sorgen. Der Rest darf die lustigen Bilder genießen.

Autor:
Datum: 01.08.2014
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs

  1. 1 | naich

    Zum Einstieg gleich etwas Diskussionsförderndes: Ursprünglich wollte ich den dritten Beispielsatz, um ihn weiter aufzupeppen, mit einem ございます enden lassen. Um das i-Adjektiv zu nominalisieren, hätte ich nur mehr ein の gebraucht und die Sache wär erledigt gewesen. Aber 我輩はお鼻が痒いのございます klingt irgendwie falsch. Weiß jemand, was an dem Satz nicht stimmt? Ist er überhaupt falsch?

  2. 2 | Shadol

    Also, dein 4. Beispiel scheint mir etwas seltsam. Du verbindest da das Verb falsch und übersetzt es dann mit „hat“. Entweder muss es „ni wa“ heißen oder du nimmst ein anderes Verb. Meine Meinung.

    Zu deiner Frage. So wie ich das kannst du ein Adjektiv nicht einfach mit einem „no“ substantivieren und ein Verb anhängen. In dem Fall nimmst du statt „no“ „de“ und es passt wieder. Also:
    我輩はお鼻が痒いでございます。
    Das ist zwar auch keine Substantivierung des Adjektivs im eigentlichen Sinne, da das Ziel aber das einfügen von ございます war, passt das so.
    Wie kommst du eigentlich überhaupt auf die Idee ein Adjektiv mit einem „no“ zu substantivieren? Mir will dazu grade partout kein richtiger Satz einfallen.

    • 3 | nano

      Mein erster Gedanke war auch „でございます“, aber ich kann’s nicht grammatisch erklären xD

    • 4 | naich

      Also, dein 4. Beispiel scheint mir etwas seltsam. Du verbindest da das Verb falsch und übersetzt es dann mit “hat”. Entweder muss es “ni wa” heißen oder du nimmst ein anderes Verb. Meine Meinung.

      Wüsste nicht, warum ich zwangsläufig ein „ni wa“ brauche. Ich denke, es wär wohl nicht verkehrt, aber das wird mit „wa“ und „ga“ doch eh impliziert.
      https://www.uni-due.de/imperia/md/content/japan/grammar_7.pdf
      Hier steht zB auch „日本は夏が暑いです“ mit der Übersetzung „In Japan ist der Sommer heiß“, und das ohne „ni wa“. Kann natürlich auch sein, dass für ein Verb als Prädikat andere Regeln im Satz gelten als für ein Adjektiv+desu als Prädikat.

      Wie kommst du eigentlich überhaupt auf die Idee ein Adjektiv mit einem “no” zu substantivieren?

      Basierte auf den Erkenntnissen des vorigen Artikels, aber ich hatte da was falsch in Erinnerung, sorry. ございます ist schließlich die formelle Version von ある, die nicht automatisch ein Prädikat bildet. Mein Fehler.
      でございます wär meine zweite Wahl gewesen, aber ich hab noch keine Klarheit darüber, wofür das で eigentlich steht.

      • 5 | Der Goldene Bulle

        1. でございます leitet sich glaube ich vom schriftschprachlichen である ab. Das で ist dabei als Essivpartikel (so wird es bei uns genannt) einfach in der Bedeutung „Sein“ zu betrachten. でございます und ございます tauchen meines Wissens nach nur noch im Keigo auf und でございます ersetzt immer ein だ oder です. Ist also einfach eine Höflichkeitsfloskel, deren Ursprung wahrscheinlich im Alt- oder Klassischjapanisch liegt. Kann ich aber auch nicht weiter herleiten, da ich von den Sprachepochen nicht besonders viel Ahnung habe.
        2. Da でございます ein です ersetzt ist eine Nominalisierung des Adjektivs nicht nötig. Falls man es doch machen möchte hängt man einfach das でございます an die Nominalisierung:
        我輩はお鼻が痒いのでございます。
        Klingt für mich aber irgendwie überflüssig. Außerdem würde ich eine Nominalisierung mit こと vorziehen. KP warum.

        • 6 | Shadol

          Da hast du dich jetzt aber selber ausgetrickst, Goldener Bulle.
          Wenn „である“ eine Form von „です“ ist, dann ist „のでございます“ eigentlich ein „のです“ und verändert so die Bedeutung des Satzes hin zu einer Eklärung von Zuständen. Wer mal in Japan auf die Schule gegangen ist weiß, dass „のです“ niemals von den Schülern verwendet wird. Was sollten die auch zu erklären haben? :D:D

          Übrigens, dass du „こと“ vorziehst, liegt an deinem offensichtlichen Sprachgefühl, ich gehe davon aus, dass du bereits einige Zeit in Japan warst?

          Die verschiedenen Höflichkeitsstufen werden hier ein wenig durcheinandergewirbelt. Warum sollte jemand Arrogantes (->我輩) am Ende seines Satzes ein so höfliches ございます anhängen? Vielleicht kann naich ja seinen Gedankengang erklären? Jedenfalls passt „こと“ natürlich viel besser zu „ございます“ als „の“.

          • 7 | Der Goldene Bulle

            Ergibt Sinn. Hatte an diese Bedeutung des のです nicht gedacht. Ich lerne die Sprache noch nicht lange und da ich noch nie in Japan war, hatte ich bisher nicht viel mit der Höflichkeitssprache am Hut. Solch ein erklärendes のでございます war mir noch nicht untergekommen.

          • 8 | naich

            Die verschiedenen Höflichkeitsstufen werden hier ein wenig durcheinandergewirbelt. Warum sollte jemand Arrogantes (->我輩) am Ende seines Satzes ein so höfliches ございます anhängen? Vielleicht kann naich ja seinen Gedankengang erklären?

            Im alten Japan hatte 我輩 keinen arroganten Unterton, es ist einfach eine veraltete Form, „ich“ bzw. „wir“ zu sagen. Das wollte ich mit einer archaischen Version von です etwas aufpeppen, aber ich muss halt zugeben, dass ich von ある/ござる nur wenig Ahnung habe.

      • 9 | Shadol

        Ja, ich weiß^^ die Diskussion um das „ni wa“ hatte ich jetzt auch schon öfter. Ich benutze die „wa… ga…“ Wendung (ohne „ni“) bei Orten halt bloß ungern. Bei den „sein“-Formen bin ich mir auch immer noch nicht sicher, dass das überhaupt geht. Denn da ist das örtliche ja zwingend. Ich hab mir das so gemerkt, dass Sätze, die mit einem „no“ geschrieben werden können auch als „wa… ga… “ gehen. In deinem Beispiel: 日本の夏が暑いです。Das Das ist auch das, was du in diesem Kapitel beschreibst, nur umgekehrt. Funktioniert aber in besagtem 4. Beispiel nicht. Aber jo, weil ich mir nicht sicher bin, hatte ich ja auch geschrieben, dass das meine Meinung ist, also keine Regel. Woran ich mich auch eigentlich gestoßen hatte, war die Übersetzung. Dein Satz bedeutet ja eigentlich „In England gibt es kein „schönes Essen“ „. Von der englischen Küche ist da keine Rede.

        Der Zusammenhang zwischen „でございます“ und „である“ wurde ja bereits erläutert. Das schöne an der japanischen Sprache ist, dass sie größtenteils durch und durch logisch ist. Wenn man „で“ im nicht örtlichen Sinn verstanden hat, ergibt sich die Bedeutung von „である“ als „Es ist so, dass…“. Der Satz bekommt also eine erklärende Note, auch wenn es das nicht so ganz trifft.

        • 10 | Shadol

          Anhang:

          Ich hab mal nen japanischen Freund gefragt, was er jeweils nehmen würde.
          Antwort:
          Bei dem igirisu-Satz: ni wa
          Bei dem (no) de gozaimasu-Satz: no de

          immu: Was genau willst du damit bezogen auf die Diskussion sagen?

          • 11 | immu

            Das war eine Antwort auf naichs Satz „でございます wär meine zweite Wahl gewesen, aber ich hab noch keine Klarheit darüber, wofür das で eigentlich steht.“.

            Mag mir einer von euch eventuell erklären, wie man hier zitiert? Das würde meine Beiträge wohl verständlicher machen. ^^

          • 12 | naich

            Dein Satz bedeutet ja eigentlich “In England gibt es kein “schönes Essen” “. Von der englischen Küche ist da keine Rede.

            Ich denke, wenn man die Bedeutung von „wa… ga“ verstanden hat, weiß man auch ohne Übersetzung, was der Satz bedeutet. Die Übersetzung verhält sich dann nur als ungefährer Hinweis, ob man richtig liegt 😉
            Nein, ehrlich, ich glaube, eine freie Übersetzung ist bei einem grundsätzlich so einfachen Thema wie diesem einer ausführlicher erklärenden, wörtlicheren Form vorzuziehen, wenn ich den Text etwas lockerer gestalten möchte.

            Ich hab mal nen japanischen Freund gefragt, was er jeweils nehmen würde.
            Antwort:
            Bei dem igirisu-Satz: ni wa

            Schön, und kann mir dein japanischer Freund auch den Grund dafür nennen? 😀

            Bei dem (no) de gozaimasu-Satz: no de

            Hä? Hieß es nicht gerade noch, dass eine Nominalisierung nicht vonnöten ist und wenn dann höchstens mit こと?

      • 13 | immu

        Hatten wir das mit dem で nicht schon mal? Vielleicht trügt mich da meine Erinnerung…

        Auf jeden Fall ist dieses で im modernen Japanisch die 連用形 von だ. Im modernen Japanisch deswegen, weil das historisch gesehen nicht stimmt. Aber wir interessieren uns hier ja nur für die Eigenschaften der japanischen Gegenwartssprache.

        Du solltest vielleicht generell mal ein Kapitel über das generelle Konjugationsschema japanischer Verben, sprich die fünf Konjugationsbasen, schreiben. Das sollte einige Klarheit in so manche Grammatikdiskussion hier bringen, nehme ich an.

        • 14 | naich

          Auf jeden Fall ist dieses で im modernen Japanisch die 連用形 von だ.

          Hm, ich komm grad nicht ganz mit. Warum sollte man vor ein ございます, das selbst schon für です steht, noch eine Verlaufsform vom selben Wort stellen? Die Erklärung vom Goldenenen Bullen als Essivpartikel ergab irgendwie mehr Sinn.
          Ach ja, und:

          Mag mir einer von euch eventuell erklären, wie man hier zitiert?

          • 15 | immu

            Die 連用形 ist keine reine Verlaufsform. Sie dient generell dem Aneinanderreihen von Prädikaten und hat dadurch im Speziellen auch die Funktion, 助動詞 (=Hilfsverben) an ein Prädikat/einen Satz anzufügen.

            Genau das passiert hier. In diesem Kontext sind ございます/ござる und auch das ある aus である ein Hilfsverb, nicht zu verwechseln mit der anderen Bedeutung dieser Wörter.

            Das als Essiv zu analysieren ist denke ich ebenfalls legitim, ja. Wie für jede Sprache gibt es für das Japanische natürlich eine Vielzahl an Grammatikmodellen. Ich gehe, wenn ich etwas dazu schreibe und es nicht explizit anders erwähne, immer von der japanischen Schulgrammatik aus (die natürlich, wie jede Schulgrammatik, unbestreitbar Schwächen hat, aber in diesem Punkt hier sehe ich kein Problem).

            Danke für die Erklärung zum Zitieren!

          • 16 | naich

            Die 連用形 ist keine reine Verlaufsform. Sie dient generell dem Aneinanderreihen von Prädikaten und hat dadurch im Speziellen auch die Funktion, 助動詞 (=Hilfsverben) an ein Prädikat/einen Satz anzufügen.

            Genau das passiert hier. In diesem Kontext sind ございます/ござる und auch das ある aus である ein Hilfsverb, nicht zu verwechseln mit der anderen Bedeutung dieser Wörter.

            Die grammatische Bedeutung der 連用形 in Verbindung mit anderen Verben ist mir klar, (und „Verlaufsform“ hab ich nur benutzt, weil mir partout keine bessere Übersetzung einfallen wollte), aber ich verstehe nicht, wie eine Kombination eines です (also で) mit einem weiteren です (also ございます), diesmal als Hilfsverb, in irgendeiner Weise sinnvoll sein soll. Sieht für mich doppelt gemoppelt aus.

            Und Nachtrag von vorhin:

            Du solltest vielleicht generell mal ein Kapitel über das generelle Konjugationsschema japanischer Verben, sprich die fünf Konjugationsbasen, schreiben.

            Mir fallen grad sechs ein: 終止形, 連用形, 連体形, 未然形, 已然形, 命令形. Ist eine davon nicht so „generell“?^^ 連体形 eventuell?

          • 17 | immu

            […] aber ich verstehe nicht, wie eine Kombination eines です (also で) mit einem weiteren です (also ございます), diesmal als Hilfsverb, in irgendeiner Weise sinnvoll sein soll. Sieht für mich doppelt gemoppelt aus.

            Ah, verstehe, da liegt das Problem.

            Das Missverständnis dabei: Es sind keine zwei です. です ist eine Kontraktion von であります. In deiner Aufteilung jetzt würde das bedeuten, dass です selbst aus zwei です bestünde (einmal in Form von で, einmal in Form von あります)… Da hätten wir tatsächlich eine Art Endlosrekursion. 😀 で hier ist die 連用形 von だ, und だ ist (grammatikalisch gesehen) nicht das gleiche wie です (vielleicht rührt daher das Missverständnis?)! Ist das so verständlich formuliert? Ich bin wirklich nicht gut darin, solche Dinge zu erklären…

            Mir fallen grad sechs ein: 終止形, 連用形, 連体形, 未然形, 已然形, 命令形. Ist eine davon nicht so “generell”?^^ 連体形 eventuell?

            Entschuldige, da habe ich mich nicht eindeutig ausgedrückt.

            Mit den fünf Basen wollte ich prinzipiell nur auf die fünf Vokalbasen raus (also als Beispiel 書か・書き・書く・書け・書こ).

            Natürlich solltest du die dann mit ihrer Verwendung (also den von dir aufgezählten Formen) erklären, sonst wäre der Artikel, so du ihn schreiben wirst, recht sinnlos und kurz. Dabei wäre wohl tatsächlich die 連体形 nicht ganz so wichtig, da diese in der Gegenwartssprache ja sowieso so gut wie immer formgleich mit der 終止形 ist.

            Erwähne dann aber vielleicht auch noch die 意向形, sonst hast du gar keine Verwendung für die o-Basis. 😀

  3. 18 | Shadol

    Leider geht der Antwortbaum ja nicht mehr tiefer, also mach ich mal n neuen auf 😀

    Danke auch für die Erklärung der Zitierfunktion, gleich mal testen 🙂

    Schön, und kann mir dein japanischer Freund auch den Grund dafür nennen? 😀

    Der Teil vor dem „wa“ braucht eine direkte Beziehung zu dem Teil zwischen „wa“ und „ga“. Was das jetzt genau heißen soll? Frag mich was leichteres :D:D Ich glaub aber, dass der „no“-Test, den ich vorher erwähnt hab ungefähr in die Richtung geht.

    Hä? Hieß es nicht gerade noch, dass eine Nominalisierung nicht vonnöten ist und wenn dann höchstens mit こと?

    Nö, ich fand bloß, dass „koto de“ aufgrund der Höflichkeit besser passt als „no de“. Das das nicht geht hat keiner behauptet. Nach dem „koto“ hab ich aber gar nicht gefragt, sondern ob das mit oder ohne „no“ besser passt. Da war ich für ohne, hab mich wohl geirrt :D:D „kopfrauch“

  4. 19 | naich

    @immu: Sorry, dass ich anscheinend noch immer ein Brett vorm Kopf habe, aber irgendwie löst das das Missverständnis, das ich habe, nicht wirklich :ugly:
    Okay, ich habe also die 連用形 von だ und dahinter die alte Version von です. だ und です mögen grammatisch gesehen nicht gleich sein, aber haben doch semantisch dieselbe Bedeutung, oder? Im Endeffekt läuft’s doch wieder auf Kopula-Kopula hinaus, oder?

    @Shadol

    Der Teil vor dem “wa” braucht eine direkte Beziehung zu dem Teil zwischen “wa” und “ga”.

    Klingt nach etwas, das ein Japaner zwar vom Gefühl her weiß, aber nicht mit syntaktischen Regeln erklären kann 😀
    Gut, da werd ich mich wohl noch irgendwo umschauen müssen, warum das so ist.

    • 20 | immu

      Okay, ich habe also die 連用形 von だ und dahinter die alte Version von です.

      Die alte Version von です? Du meinst ございます? Das ist keine alte Version von です. ございます ist nur ein Keigo-Version von ある.

      Hast du das gleiche Verständnisproblem mit である, であります etc.?

      • 21 | naich

        Hast du das gleiche Verständnisproblem mit である, であります etc.?

        Jupp, aber ich glaub, ich komm langsam auf den richtigen Pfad. Wie würdest du denn die grammatische und semantische Bedeutung von ある beschreiben?

        • 22 | immu

          ある ist hier wie gesagt ein Hilfsverb. Du könntest das auch als zwei Sätze analysieren: Der erste Satz (die eigentliche Aussage) wird mit で abgeschlossen und (und deswegen 連用形) mit dem zweiten Satz, der nur aus ある besteht, verbunden.

          Semantisch kann man das ある hier als „sich in einem Zustand befinden“ interpretieren. XYZである würde so zu „sich im Zustand XYZ befinden“ werden.

          Und nochmal: です ist nur eine Kontraktion von であります. Mit dieser grammatikalischen Kontruktion hast du dich also eigentlich schon lange angefreundet. 😉

          • 23 | naich

            Oh, okay, ich glaub, ich hab’s. Ich hab だ und です früher immer als (fast) immer austauschbare Worte angesehen und wusste nicht, dass die „Rohform“ だ ist und です das Ganze auch mit einem Verb verbindet, jetzt ergibt’s Sinn. Jetzt hab ich aber noch eine Frage: Warum kann man in der modernen japanischen Sprache einen Satz auch mit だ beenden, obwohl doch der Bezug zu einem ある-ähnlichen Verb fehlt? Wird der mal wieder einfach verschluckt bzw. angenommen, dass der Zuhörer den Kontext versteht?

          • 24 | immu

            Nun ja, だ ist ja die Kopula und kann deswegen natürlich am Ende eines Satzes stehen. Da wird nichts verschluckt oder impliziert. Bei です verwendest du ja eben expliziet die ren’youkei, um noch ein Verb dranhängen zu können.

            Warum man das tut ist jetzt natürlich eine berechtigte Frage. Da です ja prinzipiell einfach eine höflichere Variante der Kopula ist (und でございます nochmal ne ganze Ecke höflicher) denke ich, dass da einfach das gute alte Prinzip „je länger, desto höflicher“ greift und dann das ございます quasi dazu nutzt, den Satz länger zu machen.

            Das erklärt jetzt natürlich noch nicht den Unterschied zwischen だ und である (klingt „sachlicher“, „faktischer“). Ich denke, da ist der Grund einfach in der Bedeutung von ある und seiner damit verstärkenden Wirkung zu suchen.

          • 25 | naich

            Okay, das hat mir echt weitergeholfen, vielen Dank! Ich hab früher viele seltsame Kopula-Konstruktionen einfach so hingenommen, ohne darüber nachzudenken, welchen speziellen Unterschied es nun macht, stattdessen einfach だ dranzuhängen, aber vermutlich ist das ohnehin mein größtes Problem bei der Sache. Ich weiß zwar, wie man viele Dinge formuliert, kann aber nicht genau erklären, warum. Vielleicht ist das ja gutes Sprachgefühl, aber das bietet halt eine schlechte Basis, um anderen Leuten Grammatik beizubringen^^

  5. 26 | Shadol

    Das Ding is doch, dass es ein paar Posts früher so rüber kam, dass でございます eine Form von です ist. Das mag ja vielleicht ne gute Erklärung für Leute ohne Erfahrung sein, aber wirklich gleich verstanden wird das auch nicht.

  6. 27 | Drekelmann

    Ne, du nicht, du besserst mir ja bloß wieder nur Rechtschreibfehler in alten Artikeln aus.

    Mach ich nicht, versprochen! (Ich weiß ja sowieso so halbwegs, was は und が unterscheidet…)

    du bist mittlerweile ein schlimmerer Running Gag als die kleine Fee der japanischen Sprache

    …, die gar nicht so häufig vorkam, oder?

    Wir können so einen Satz im Deutschen nicht aussagen und gleichzeitig auf eine Besitzanzeige verzichten.

    Eigentlich ja doch, oder? „Peter hat einen großen Bauch.“ Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob du „haben“ als Besitzanzeige auch rausgeworfen hast, bei „Haganai“ (XはYがZない?) benutzt du es ja auch.

    僕は ist quasi die Wurzel im Aussagenbaum, der das allgemeine Satzthema vorgibt, und 友達が ist der Ast, der konkreter an die Sache herangeht und etwas aus dem Thema hervorhebt.

    Ich frage mich gerade, ob du das tatsächlich so meinst, wie ich es jetzt verstehe: Der ganze Aussagenbaum gibt das allgemeine Satzthema vor? Beim ersten Lesen erschien mir das unlogisch, aber vielleicht denke ich ja auch nur wieder anders als du.

    セップは髭がながい。

    ペーターも髭が長い (画像で判断すると)・・・

    meine drei Leser

    Wer???

    Du hast ein Faible für den Marxismus, naich, oder? 🙂

    und schließlich werden wir mit unserem neuen Diktator in einen dritten Weltkrieg geführt, der die halbe Erde in einen nuklearen Winter versenkt

    Ich habe die Marx-Engels-Publikationen nicht gelesen, aber ich meine mich zu erinnern, gelernt / gehört zu haben, dass laut einem der beiden in einem perfekten Kommunismus überhaupt keine Regierung mehr existieren müsse, weil ja alles so schon perfekt funktioniere – lediglich auf dem Weg dahin müsse die Regierung die Menschen mit harter Hand führen. Glücklicherweise tut das hier nichts zur Sache, also warum schreibe ich eigentlich so’n Zeug…?

    • 28 | naich

      …, die gar nicht so häufig vorkam, oder?

      Ich hab nicht nachgezählt, aber mir kam’s irgendwie so vor.

      Eigentlich ja doch, oder? “Peter hat einen großen Bauch.” Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob du “haben” als Besitzanzeige auch rausgeworfen hast, bei “Haganai” (XはYがZない?) benutzt du es ja auch.

      Na ja, ich meinte einen grammatischen Possessiv, einen Genitiv in jeglicher Form halt. „Haben“ zeigt zwar einen Besitz an, aber nur semantisch, nicht grammatisch.

      Der ganze Aussagenbaum gibt das allgemeine Satzthema vor?

      Nein, die Wurzel des Aussagenbaums gibt das Thema vor. Das war meine (anscheinend gescheiterte) Metapher für die „grobe“ Thematik des Satzes, während die Äste diese Thematik „verfeinern“ und genauer spezifizieren.

      dass laut einem der beiden in einem perfekten Kommunismus überhaupt keine Regierung mehr existieren müsse, weil ja alles so schon perfekt funktioniere – lediglich auf dem Weg dahin müsse die Regierung die Menschen mit harter Hand führen.

      Den Zustand einer regierungslosen Gesellschaft verstehe ich aber eher als Anarchie. Der Kommunismus hat ja direkt nicht allzu viel mit einer Regierung zu tun, eher mit dem Denken der Menschen, den eigenen Besitz aufzugeben und klassenlos zu leben, also die Bevölkerung nicht in „Proletariat vs. Bourgeoisie“ aufzuteilen. Viele Anarchisten, die ich kenne, halten den Marxismus auch als ersten Schritt in eine anarchistische Gesellschaft, aber ich kommentier das halt gerne damit, dass sich das, was sich der liebe Karl ausgedacht hat, mit der menschlichen Natur nicht wirklich vereinbaren lässt. Unter Stalin waren halt alle Menschen gleich, nur Stalin war gleicher.

      Darüber zu philosophieren macht Spaß :3

      • 29 | Drekelmann

        Ich hab nicht nachgezählt, aber mir kam’s irgendwie so vor.

        Na ja, am Anfang kam sie wirklich ständig, aber zuletzt immer weniger. Zumindest meiner groben Erinnerung nach.

        “Haben” zeigt zwar einen Besitz an, aber nur semantisch, nicht grammatisch.

        Dann geht mein Vorschlag ja. (Ist aber auch egal, weil beide deutschen Sätze komisch klingen, wenngleich das eher am unidiomatischen „großen Bauch“ liegt.)

        Nein, die Wurzel des Aussagenbaums gibt das Thema vor. Das war meine (anscheinend gescheiterte) Metapher für die “grobe” Thematik des Satzes

        Die Metapher ist nicht gescheitert – ich muss mal nachsehen, ob es in der Computerlinguistik nicht sogar so was wie einen „Aussagenbaum“ gibt, der die semantische Struktur eines Satzes darstellt -, aber so, wie der Satz dasteht, bezieht das Relativpronomen von „der das allgemeine Satzthema vorgibt“ sich auf den Baum, nicht auf die Wurzel. Und das kam mir komisch vor, aber ich wusste nicht, ob du dich vertan hattest oder ich. Offenbar warst du’s…

        Den Zustand einer regierungslosen Gesellschaft verstehe ich aber eher als Anarchie.

        Per definitionem ja. Allerdings hast du ja auch bemerkt:

        Der Kommunismus hat ja direkt nicht allzu viel mit einer Regierung zu tun, eher mit dem Denken der Menschen

        Dementsprechend kann auch die Aufteilung verlaufen, also Kommunismus als Paradigma, das eine anarchistische Staatsform begünstigt bzw. ermöglicht. Aber wie gesagt, ich habe Marx und Engels nicht gelesen (vermute jedoch, dass das auf die meisten Menschen, die sich selbst als „Kommunisten“ oder „Anarchisten“ bezeichnen, ebenfalls zutrifft, nicht zuletzt, weil es eine ganze Menge Analphabeten unter denen gibt).

        dass sich das, was sich der liebe Karl ausgedacht hat, mit der menschlichen Natur nicht wirklich vereinbaren lässt. Unter Stalin waren halt alle Menschen gleich, nur Stalin war gleicher.

        Die interessante Frage ist, ob das, was Karl Marx sich ausgedacht hat, deswegen nicht mit der menschlichen Natur vereinbar ist, weil sein Konzept daran vorbeigeht, oder nicht vielleicht deswegen, weil es nicht mit der menschlichen Natur vereinbar ist, es richtig zu verstehen. Ich glaube zwar auch nicht, dass Kommunismus funktioniert (obwohl: Ist Star Trek nicht eigentlich ein Beispiel einer quasi-kommunistischen Gesellschaftsform?), aber Auswüchse wie der Stalinismus (oder allgemeiner: ideologisch motivierte Diktaturen) basierten oftmals auf dem (z.T. absichtlichen) Falschverstehen eines (Gesellschafts-)Konzepts (Beispiel: Darwinismus → Rassismus, „Herrenrasse“). Ich finde, diese Diskussion wird etwas soziologisch…

        • 30 | naich

          aber so, wie der Satz dasteht, bezieht das Relativpronomen von “der das allgemeine Satzthema vorgibt” sich auf den Baum, nicht auf die Wurzel.

          Oh, okay, jetzt hab ich dich. Wird natürlich ausgebessert.

          Sorry, für eine soziologische Diskussion hab ich gerade keinen Kopf, aber das ist ja ohnehin nicht das Thema hier^^

Um deinen Avatar zu ändern, melde dich bitte mit der hier angegebenen Mailadresse unter Gravatar.com an und lade dort deinen neuen Avatar hoch.