Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 2v2

Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte

Kapitel 2v2 –

Madoka Grammatica

Was guckst du da? Das ist das Artikelbild, geh wieder zurück auf den Artikel!

Nachdem wir uns jetzt so lange mit der japanischen Schrift beschäftigt haben (ein ganzes Kapitel lang!), wird es doch langsam mal Zeit, sich die Satzbildung und die grundlegende Grammatik dieser seltsamen Sprache anzuschauen.
Fangen wir doch mal umgekehrt an und gucken auf ein deutsches Satzbeispiel:

„Harald klaut Pausenbrote.

Wer von euch brav im Deutschunterricht aufgepasst hat, kann die Satzglieder in diesem kleinen Satz sicherlich bestimmen. „Harald“ ist das Subjekt, „klaut“ das Prädikat und „Pausenbrote“ ist ein Objekt. (Ich weiß, das ist nicht zu hundert Prozent korrekt, reicht aber für den Beginn.)
Subjekt, Prädikat, Objekt – Ein Musterbeispiel für einen deutschen Satz. Harald ist stolz auf euch und klaut euch das Pausenbrot erst morgen wieder.

Japaner finden diese Wortreihenfolge aber irgendwie voll doof und vertauschen das Prädikat mit dem Objekt. Ja, statt „Harald klaut Pausenbrote“ sagt man auf Japanisch lieber „Harald Pausenbrote klaut, junger Padawan“! Schlimmer noch, diese Satzreihenfolge wäre zwar ideal, aber es lässt sich theoretisch mit der japanischen Sprache vereinbaren, gewisse Satzteile an völlig seltsame Stellen zu setzen. So kann aus dem Satz auch schnell mal ein „Pausenbrote Harald klaut“ werden. Das ist in diesem Satz ja gar kein Problem, die Bedeutung ist noch immer klar. Dann kommen aber plötzlich solche Sätze wie „Dietrich Maria ermordet“. Wendet man dieselbe Regel wieder an, heißt der Satz auf einmal „Maria Dietrich ermordet“ und niemand weiß mehr, wer hier der eigentliche Täter und wer das Opfer ist.

Man mag es kaum glauben, aber die kleine Fee der japanischen Sprache ist ja nicht dumm und hat ein Konzept eingeführt, das dieses Problem löst und gleichzeitig die japanische Sprache extrem flexibel macht. Sie setzt einfach kleine Wörtchen an das Ende von Wörtern oder Satzgliedern, die auf deren Funktion hinweisen und so eindeutig festlegen, dass „Harald“ nun mal das Subjekt ist und nicht irgendwas anderes.
Partikel nennt man diese Wörtchen. Zwei von diesen Partikeln brauchen wir in unserem Beispielsatz. Das wären ga (), welches ein Subjekt markiert, und wo (wird zwar (wo) geschrieben, aber wie (o) ausgesprochen), das ein Objekt anzeigt.

Diese zwei Wörter gehören nun direkt hinter die Wortart, um sie als solche zu markieren.

Dietrich wo Maria ga ermordet.Da das wo hinter Dietrich steht, wissen wir, dass Dietrich nur das Objekt darstellt und Maria aufgrund ihres ga das Subjekt. Überträgt man das ins Deutsche SVO-System, kommen wir auf „Maria ermordet Dietrich“, und schon ist erkennbar, dass Partikel über Leben und Tod entscheiden können. RIP in Teilen Dietrich.

Natürlich war das noch längst nicht alles. Neben Partikel sind nämlich die Wortendungen ziemlich wichtig. Das lässt sich wieder schön in einem Beispiel erklären.

„Christopher hat eine Gummiente.

oder in unserem lustigen Pseudo-Japanisch schön bunt bemalt:

Christopher ga eine Gummiente wo hat.

Jetzt wissen wir, dass der liebe Christopher im Besitz einer gelben Gummiente ist. Gestern ist aber der gemeine Franz-Dieter von der Straße gegenüber mit seinen Freunden gekommen und hat Klein-Christopher die tolle Ente weggenommen! Christopher ist jetzt ganz traurig. Er hat jetzt nicht nur seine Lieblingsente verloren, auch der Beispielsatz von vorhin stimmt jetzt gar nicht mehr. Er „hat“ die Ente jetzt nicht mehr, er „hatte“ sie. Wie hat sich die Bedeutung des Satzes also nun geändert? Wir haben das Prädikat einfach in die Vergangenheitsform gesetzt.

Im Japanischen funktioniert das genauso einfach. „Besitzen“ ist leider ein blödes Beispiel, weil das japanische Äquivalent für unsere europäischen Ohren etwas seltsam formuliert wird, aber sagen wir einfach mal, er trägt den Ball in der Hand. „Tragen“ bedeutet auf Japanisch „motsu“ (持つ). Setzen wir das in die Vergangenheit, heißt es „motta“ (持った), also „trug“. Das war ein einfaches Beispiel, was man mit Verbendungen anstellen kann, um die Satzaussage zu verändern, aber das Japanische geht da im Vergleich zum Deutschen noch einen Schritt weiter. Nein, es geht mindesten fünf Schritte weiter. Aber das kommt ja noch alles.

Ach ja, und bevor ich die Kurzeinführung in die japanischen Temporalformen beende, muss ich natürlich noch das Wichtigste davon erwähnen. Das Deutsche ist euch mit sechs verschiedenen Zeitformen von Verben zu kompliziert? Dann habt Spaß mit den zwei Zeitformen des Japanischen, der Vergangenheit und der Gegenwart. Will man doch einmal das Grammatiksystem jailbreaken und etwas im Futur sagen, schummelt man sich einfach mit einem „Ich habe vor, etwas zu tun“ herum.

Was können Endungen also noch? ’ne Menge.

  • Zeitformen
  • Negation (Verneinung)
  • Konditionalform („Wenn“)
  • Verlaufsform (aus dem Englischunterricht als „ing-Form“ bekannt)
  • Befehlsform
  • Gleichzeitigkeitsform
  • Höflichkeit
  • Lieblingsfarbe
  • Typ des eigenen Lieblingspokémons
  • Und noch ein wirklich großer Haufen an Zusatzinformationen, die man so in einen Satz einbauen kann. Bevor jemand schreit: Die vorherigen beiden Punkte sind natürlich furchtbar ernst gemeint.

Und das beste daran ist: Es gibt immer eine feste Regel, wie man die Formen von Verben und Adjektiven (Ja, auch Adjektive haben im Japanischen eine Zeitform!) bilden kann, mit Ausnahme von ein paar Wörtchen, die man sprichwö… nein, sogar wortwörtlich an einer Hand abzählen kann.

Gibt’s sonst noch was zu sagen? Njoa, ich fasse mal zusammen, was die Sprache noch so alles drauf hat:

  • Es gibt keine Artikel und keine Geschlechter. Ja, genau, diesen ganzen der/die/das-Blödsinn ersparen sich die Japaner. Die deutsche Sprache ist ja leider damit verflucht.
  • Plural und Singular findet die kleine Fee der japanischen Sprache ziemlich unsinnig. Ob ein Nomen jetzt in der Einzahl oder in der Mehrzahl dasteht, wird entweder mit einem Zahlwort angegeben oder ist einem Japaner sowieso Banane.
  • Die Kopula, besser bekannt unter dem Wörtchen „desu“, nimmt uns viel Arbeit ab. Will ich einem Subjekt etwas zuweisen (X ist Y), muss ich nicht darauf achten, ob ich „bin“ oder „bist“ oder „sind“ für das Hilfsverb „sein“ einsetzen muss. „Desu“ reicht völlig aus. Das funktioniert natürlich auch mit anderen Zeiten und Modi.
  • Satzteile werden ausgelassen. Jepp, in Japan sind alle Jungz und Mädelz so faul mit ihrer Sprache, dass alles, was nicht unbedingt gesagt werden muss, einfach weggelassen wird. Wenn Michis Mama in sein Zimmer geht und auf Japanisch sagt: „Aufräumen“, dann meint sie wahrscheinlich nicht die Müllhalde am Rand der Stadt, sondern den sich stapelnden Berg von Klamotten in seinem Zimmer, und das einfach aus dem Grund, weil völlig ersichtlich ist, was gemeint ist.
  • Die Japanische Höflichkeit prägt die gesamte Sprache. Es gibt tatsächlich zu jeder Form, die ein Verb oder ein Adjektiv nur annehmen kann, eine informelle und eine höfliche Form. Und die höfliche Sprache teilt sich auch auf in bescheidene und ehrbietige Sprache. Das geht halt dann doch ein bisschen weiter als unsere mickrige deutsche du/Sie-Anrede. Grundsätzlich gilt aber: Je länger der Satz, umso höflicher ist er.

7.12.2014: Zusammengefasst, richtiggestellt. Und dumme, unlustige Anspielungen rausgelöscht :V

Autor:
Datum: 30.12.2014
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs

  1. 1 | E

    tzz…tzz…Erster…

  2. 2 | Drekelmann

    „Manfred“ ist das Subjekt, „ist“ das Prädikat und „ein Mädchen“ ist ein Objekt.

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in Version 1 schon einmal angemerkt hatte, was „ein Mädchen“ tatsächlich ist. Der japanische Satz heißt schließlich auch nicht マンフレッドは女の子をです。 (Auch wenn Google das genau mit „Manfred ist ein Mädchen“ übersetzt…)

    Ob ein Nomen jetzt in der Einzahl oder in der Mehrzahl dasteht, wird entweder mit einem Zahlwort angegeben oder ist einem Japaner sowieso Banane.

    Bis auf die prominenten Ausnahmen mit たち bzw. 々.

    • 3 | immu

      Bis auf die prominenten Ausnahmen mit たち bzw. 々.

      Naja, da muss man aufpassen. ~たち, ~ら, 々 und die ganzen anderen möglichen Formen drücken keinen Plural (und ich nehme an, das hat naich mit „Mehrzahl“ gemeint) sondern ein Kollektiv aus. Der Unterschied mag auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennbar sein, ist aber sehr groß.

      • 4 | Drekelmann

        drücken keinen Plural […] sondern ein Kollektiv aus

        Oh – das war mir bisher nicht bewusst. Dass es kein „einfacher Plural“ (wie im Deutschen) sein kann, war mir aber schon aufgefallen: 人々 etwa sagt man ja nicht immer, wenn man von mehreren Menschen spricht. Was ich allerdings noch nicht verstehe bzw. nicht weiß, ist, inwieweit sich ein „Kollektiv“ semantsich von diesem einfachen „Plural“ unterscheidet.

        Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich meine Formulierung damit verteidigt hab, dass das für ein Grammatik-Einführungskapitel zu viel allgemeines Grammatikwissen voraussetzt, allein schon deswegen, weil hier noch nicht mal “richtiges” Japanisch angewandt wird.

        Diese Argumentation kann ich aber insofern nicht nachvollziehen, als dass du angibst, das Objekt werde mit „wo“ markiert, und dann ein Beispiel bringst, in dem das „gar nicht der Fall ist“ (unter der Prämisse, dass es sich tatsächlich um ein „Objekt“ handeln würde). Außerdem gibt es ja genügend Beispiele, bei denen es stimmt, z.B. dein „Dietrich ermordet Maria“. Oder anders gesagt, mir leuchtet nicht ein, warum du nicht einfach einen anderen Beispielsatz bringst, um zu erläutern, was du erläutern willst, wenn der, den du hast, ungeeignet ist.

        • 5 | naich

          Na gut, überzeugt. Ich dachte mir nicht, dass das Relevanz in einem Einführungskapitel hat, aber ich denke, wenn ich das Beispiel einfach ändere, brauche ich an der Erklärung nichts zu schrauben. (Was ja blöd wäre, weil das ganze Kapitel auf dieser Erklärung aufbaut.)

    • 6 | naich

      Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in Version 1 schon einmal angemerkt hatte, was “ein Mädchen” tatsächlich ist.

      Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich meine Formulierung damit verteidigt hab, dass das für ein Grammatik-Einführungskapitel zu viel allgemeines Grammatikwissen voraussetzt, allein schon deswegen, weil hier noch nicht mal „richtiges“ Japanisch angewandt wird. Außerdem wird das Thema im (überarbeiteten) Kapitel über die Kopula eh angemessen behandelt.

      Zur Plural-Sache: Siehe immu~

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