Der NanaOne-Japanischkurs, Kapitel 3v2
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 3v2 –
Kuchen sind lecker und Zeitungen sind interessant
Diesmal wirds richtig lustig, denn heute wird das bisschen Wissen, das jeder dahergelaufene Anime-Fan ohnehin schon intus hat, angewandt. Jupp, heute wird das erste Mal richtig die Insulanersprache geschnattert.
Wie in Kapitel 2 erwähnt gibt es für jedes Wort, das sich mit Suffixen (Nachsilben) modifizieren lässt, eine höfliche und eine höflichkeitsneutrale Form. Wenn man sein kleines 10-Euro-Japanisch-Wörterbuch zur Hand nimmt und dort in eine Liste mit wichtigen Verbchen und Adjektivchen reinschaut, wird man wohl bemerken, dass so ziemlich alle Verben mit dem lateinischen Buchstaben „u“ aufhören und alle Adjektive mit einem „i“. Das liegt daran, dass es für all diese Wörter eine sogenannte Wörterbuchform (辞書形, jishokei) gibt. Das ist die Grundform, die – oh Wunder – für Wörterbücher verwendet wird. In deutschen Wörterbüchern ist die Wörterbuchform von Verben immer der Infinitiv Präsens Aktiv („gehen“, „kaufen“, „überfahren“ etc.), im Japanischen gibt’s dafür ’ne eigene Form. Kuhl. Jedenfalls konzentrieren wir uns heute mal rein auf Verben (動詞, doushi).
Warum das alles so wichtig ist? Nun, es existiert im Japanischen eine Verbform (und Adjektivform eigentlich auch), die im Präsens völlig exakt der Wörterbuchform entspricht. Das machen die Japaner, weil sie uns Ausländer mit Fachbegriffen quälen wollen und nicht etwa, weil es praktisch ist, wenn man sprachliche Unterscheidungen treffen will. Okay, das vielleicht auch, aber hauptsächlich, weil die Japaner gemeine Sadisten sind.
Egal, diese Form ist jedenfalls die höflichkeitsneutrale Form (基本形, kihonkei; manchmal auch 基本体, kihontai; jaja, lustig, lustig, das klingt wie „Hentai“, hihi.) und ist, wie der Name verrät, die Form eines Wortes, die überhaupt keine Höflichkeit ausdrückt. Das hört sich jetzt erst mal an, als wäre es ein schreckliches Vergehen, wenn man diese Form in einem Gespräch mit seinem Chef, dem japanischen Kaiser oder… keine Ahnung, dem bärtigen Kerl im Himmel gegenüber verwendet, aber wenn ich jetzt „Das stimmt!“ sagen würde, wäre das nur die halbe Wahrheit. Die höflichkeitsneutrale Form alleine wäre tatsächlich nicht höflich genug für eine Respektperson, aber in Verbindung mit anderen Modi oder als Modifikator für gewisse Satzteile kann man auch den ollen Tennō damit ansprechen. Klingt verwirrend? Dachte ich mir, lassen wir den Exkurs bleiben und merken uns einfach, dass die höflichkeitsneutrale Form… nun, nicht besonders höflich ist und nur bei Familie und Freunden gut passt.
Aber jetzt kommt die fürs Überleben in Übersee eindeutig essenziellere Form: Die höfliche Form. Wenn man speziell im Fall von Verben spricht, redet man meistens von der masu-Form. Die heißt so, weil hinter dem Verb, das man in eine bestimmte masu-kompatible Form setzt, ein ます (masu) steht. Das ist zwar einerseits wenig kreativ, andererseits ersparen wir uns damit das nervige Auswendiglernen von komisch klingenden Fachbegriffen. Ich glaube, jeder, der schon mal ein paar Stunden der japanischen Sprache gelauscht hat, wird diese Form sofort erkennen und kann sie jetzt auch als höfliches Verb im Präsens identifizieren. Das „u“ von masu wird dabei übrigens ziemlich stark verschluckt, sodass es sich eher nach „mass“ anhört. Satzbeispiel gefällig?
私は食べます。
Watashi wa tabemasu.
Okay, dazu wäre jetzt eigentlich ein Exkurs zu wa nötig, aber ich kürze ab: Wa ist eine Partikel, die das Satzthema angibt. Der Einfachheit halber reicht es zunächst, wenn wir uns merken, dass wa das Subjekt des Satzes anzeigt, also dasselbe tut wie ga, das wir schon in Kapitel 2 hatten. [Memo an mich: Überarbeitetes wa-ga-Kapitel verlinken~]
Watashi ist eine generelle Bezeichnung für die erste Person Singular, also „Ich“. Durch wa erfahren wir, dass „Ich“ das Thema bzw. Subjekt des Satzes ist. Fehlt nur noch tabemasu. Na, habt ihr lieben Kinder alle brav aufgepasst? Ja, Konni, ich weiß, dass du in der Nase gebohrt und nicht zugehört hast, aber die anderen haben ganz bestimmt schon verstanden, dass tabemasu ein Verb in der masu-Form ist! Ihr kriegt jetzt alle einen Stern ins Klassenbuch. Konni, du gehst zum Direktor.
Tabemasu bedeutet „essen“ und kommt von der Wörterbuchform taberu. Zusammen mit watashi wa ergibt der Satz zusammen die spannende Übersetzung: „Ich esse“.
War nicht so schwierig, was?
Mooooment! Das ist zwar alles schön und gut, aber theoretisch könnten wir aus dem Satz noch mehr machen! Woher wissen wir, was ich überhaupt esse? Es könnte ein süßer, roter Apfel sein, es könnte ein gesunder Salat sein, es könnte sogar etwas gar Furchtbares wie Pferdefleisch sein!!!111
Zum Glück haben wir in Kapitel 2 etwas vorgearbeitet und wissen, wie man direkte Objekte anzeigt, nämlich mit der Partikel wo.
私はケーキを食べます。
Watashi wa keeki wo tabemasu.
Wen oder was esse ich? Den keeki (vom engl. cake, also Kuchen), also wird hinter dieses Nomen ein wo geklatscht und die kleine Fee der japanischen Sprache ist zufrieden. „Ich esse den Kuchen.“ – Ob ich nun wirklich „den“ Kuchen oder einfach nur „einen“ Kuchen esse, wird im Japanischen (zumindest in dieser Satzkonstruktion) nicht unterschieden.
Noch ein Beispiel? Noch ein Beispiel.
田中さんは新聞を読みます。
Tanaka-san wa shinbun wo yomimasu.
Ich denke nicht, dass irgendjemand noch nie das Appellativsuffix san gehört hat. Es ist die grundlegenste Anrede für eine Person überhaupt und ist nicht wirklich höflichkeitsneutral, gibt aber auch nicht unbedingt die tiefste Unterwürfigkeit an. Im normalen Alltag passt san aber sowohl bei fremden Personen als auch bei Kollegen. Übersetzen kann man es meistens entweder mit „Herr“ oder „Frau“ oder man lässt es ganz weg. Wenn das Prädikat des Satzes in der masu-Form steht und man keinen Kontext hat, macht man mit „Herr“ oder „Frau“ aber nichts falsch.
Joa, shinbun ist eine „Zeitung“ und yomimasu kommt von der Wörterbuchform yomu und heißt „lesen“. Dass Herr Tanaka eine Zeitung liest, ist jetzt nicht mehr schwer zu erraten.
Datum: 27.12.2014
Kategorien: Blog, NanaOne-Japanischkurs
Link: #27873
Ja, dann gibts mal wieder meine Kommentare.
1. Die (viel!) geläufigere Bezeichnung lautet 基本形. 基本体 ist mir bisher, abgesehen von deinem Text jetzt, erst ein einziges Mal begegnet.
2. 基本形 ist eigentlich auch nur ein weiterer, recht sinnloser Fachbegriff ohne richtige Bedeutung für die sprachliche Untersuchung. Prinzipiell gilt: 辞書形 = 基本形 = 終止形. Letzterer ist der Begriff, den man zur strukturellen Analyse von japanischen Verben benutzt.
(Disclaimer: Mir ist klar, dass das Kapitel an Anfänger gerichtet ist, weswegen diese Anmerkung in diesem Kontext sinnlos ist.)
Nur, um es gesagt zu haben: ます ist ein Hilfverb/eine Verbalsuffix und wird an die 連用形 des vorangehenden Verbs angehängt (die Bezeichnung „Verbstamm“ ist im Japanischen nicht wirklich gut, da wir ja mehrere „Stammformen“ haben). Sieht man sich die Bedeutung/Verwendung der 連用形 an, die ja auch zur Aneinanderreihung von Verben oder Sätzen benutzt wird, kann man, um dein Beispiel zu nehmen, 読みます auch als zwei Verben analysieren: 読み und ます.
Link: #27874
Ach, ob Körper oder Form, ist ja eh dasselbe :V
Nein, hab natürlich das Kanji verwechselt.
Finde ihn besonders für Sprachanfänger überhaupt nicht sinnlos, weil sich viele Konstrukte damit erklären lassen und 辞書形 klingt in meinen Ohren einfach nicht nach dem richtigen Wort dafür, weil es eben in einem anderen Zusammenhang benutzt wird. Und 終止形 braucht man in Kapitel 3 echt noch nicht zu wissen.
Wie würdest du es denn besser ausdrücken? Ich hatte vor, die 連用形 mitsamt dem Unterschied von vokalischen und konsonantischen Verben in dem Kapitel zu erklären, das ich mit „[Memo an mich: Kapitel über masu-Bildung […]“ gekennzeichnet hab. Ich finde, es schießt über das Ziel hinaus, die ganzen Sachverhalte jetzt schon zu klären, das schreckt nur die Leser ab.
Link: #27875
Was ist jetzt der Unterschied für einen Anfänger, ob du es 基本形 oder 終止形 nennst? Mit „sinnlos“ meinte ich, dass der Begriff keine neue Funktion erfüllt, nichts weiter eingrenzt oder ähnliches. Die Menge der Verben in der 基本形 und die Menge der Verben in der 終止形 sind identisch. Es ist ein Synonym ohne speziellen Nutzen.
Ich meinte _nicht_, dass du die 終止形 richtig erklären sollst – deswegen der Disclaimer. Das wäre natürlich absolut over the top.
Da stimme ich dir auch zu – deswegen, wie gesagt, der Disclaimer. Nur der Begriff „Verbstamm“ ist meiner Meinung nach eher verwirrend als hilfreich, weil wir eben mehr als eine Stammform haben. Das kann einen schon mal durcheinander bringen, wenn man nicht weiß, welche davon jetzt gemeint ist. Nenn sie doch einfach so, wie sie heißt – 連用形. Oder nenn es, wie es ja so oft in deutschen Lehrbüchern gemacht wird, „masu-Stamm“. Ich mag den Begriff zwar absolut nicht, aber er erfüllt seinen Zweck.
Link: #27880
Na ja, nur, weil die Worte von beiden Kategorien komplett ident sind, heißt das nicht, dass sie dieselbe Funktion erfüllen. Für einen Anfänger mag es egal sein, aber ich werde bestimmt nicht in späteren Kapiteln sagen: „Und was ihr euch über die 辞書形 gemerkt habt, ist Unsinn, weil man eigentlich die 基本形 braucht, die sich nicht von der 辞書形 unterscheidet, aber eine völlig andere Funktion ausdrückt.“ Die beiden Worte werde ich bestimmt nicht synonym verwenden, weil sie eben nicht dasselbe sind. Lieber erkläre ich (oberflächlich) den Unterschied gleich hier, anstatt dann später halbrichtiges Wissen über den Haufen zu werfen.
Gut, das sehe ich jetzt auch ein, nicht zuletzt wegen meiner Rechtfertigung bezüglich der 基本形.
Oh Mann, ich sollte nicht mehr um halb 3 Uhr morgens Fehler ausbessern. ^^“
Tatsächlich hab ich mich beim ersten Mal nämlich nicht verschrieben. 基本体 steht in meinem Lehrbuch und 基本形 dafür in jedem anderen Nachschlagewerk, das ich kenne. Ich wollte beides erwähnen und hab dann nur die Hälfte hingeschrieben…
Link: #27876
PS:
Da hast du wohl beim Korrigieren einen Teil übersehen. Das ließt man natürlich „kihonkei“.
Link: #27904
Wenn die Leute anfangen, über Aliasnamen von Wortformbezeichnungen zu debattieren, weiß man, dass man bei den Sprachtheoretikern gelandet ist.
Nur, weil es mir gerade einfällt: Im Deutschen reden wir auch vom „Verbstamm“, obwohl wir eigentlich auch nicht „den einen“ Verbstamm haben: „lauf“ als Stamm von „laufen“, aber es heißt doch „er läuft“…
Link: #27908
Das ist allerdings nur eine Lautverschiebung, siehe Punkt 7 von hier:
http://deutsch.info/de/grammar/konjugation_verben
Link: #27909
Ich weiß, dass das nur eine Lautverschiebung ist. Aber aus dieser Konstruktionssicht („Wir basteln Endungen an Stämme“) ist der „Stamm“ nun mal ein anderer. So, wie man die Wechselflexion im Deutschen nicht als eigenen „Stamm“ auffassen muss, braucht man die Anschlussformen für masu, nai usw., die es im Japanischen gibt, auch nicht alle einzeln zu betrachten. Aber wenn man die entsprechende Form bilden will, ist es hier wie dort erforderlich, zu wissen, welche Form man genau braucht.
Link: #27915
Hm, gut, dann ist die deutsche Bezeichnung „Stamm“ wohl ziemlich nichtssagend und sollte in dem Kontext nicht verwendet werden. ¯\_(ツ)_/¯
Link: #27897
Benötigen die Kapiteln davor ohne „v2“-Zusatz keine Restaurierung oder kommen die noch?
Link: #27899
Die kommen noch, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich wirklich jedes Kapitel so stark umschreibe, dass sich eine v2 auszahlen würde. Ich gehe mehr oder weniger chronologisch nach Kapitelnummer vor, außer, wenn ich denke, dass ein Einschub nötig ist, wie zB bei der masu-Bildung hier.