Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 7 –
Oh no!
Weil der doofe Gebbi sich weigert, heute noch die Videos zu enkodieren, die ich für dieses Kapitel brauche, gibt’s heute leider wieder eins ohne Videos. Und jetzt schnappt euch einen Stein und werft ihn auf Gebbi.
Nichtsdestotrotz schauen wir uns heute quasi etwas Praxis an. Es geht heute um
の
Dieses hübsche, kleine Hiragana mit der Bezeichnung „NO“ ist meistens das erste, das sich die Animefans merken. Es ist kurz, einfach und kommt in hunderttausenden Animetiteln vor. Irgendwann muss man einfach mal darauf stoßen.
Alle, die Englisch, Spanisch, Italienisch oder Klingonisch beherrschen und NO immer mit einer Verneinung assoziieren, dürfen jetzt traurig den Kopf hängen lassen, denn das japanische NO ist etwas viel Schlimmeres als das – es ist eine Partikel, die den Genitiv (zweiter Fall) eines Nomens anzeigt.
Der Genitiv hat im Deutschen immer irgendwie ein „des“ oder ein „der“ vorne dranhängen. Des Todes, der Berge, des Hauses, der Tiere… und wundersamerweise auch „des Sebastian(s)“, denn diese „des/der“-Konstrukte lassen sich auch mit Namen bilden. Hauen wir jetzt noch ein anderes Nomen davor („Taschentuch des Sebastian“), merken wir plötzlich, dass unser Sebastian etwas besitzt, nämlich ein Taschentuch. Und so kann man wunderschön im Japanischen einen Besitz anzeigen, denn das NO übernimmt die Rolle von „des/der“. „Taschentuch NO Sebastian“, super einfach.
Nein… nein, stop… STOP! Hört auf mit euren Luftsprüngen. Japanisch wäre ja nicht Japanisch, würde es nicht unsere deutsche Sprache in einen Mixer schmeißen, nach drei Minuten Durchwirbeln sein NO hinzugeben und dann einen Grammatikkuchen daraus backen. NO ist nämlich so lustig und vertauscht die Reihenfolge des Besitzes!
Im Deutschen würden wir sagen: „Death Note des Light.“
Aber im Japanischen muss es heißen „Light no Death Note“! Das würde dann also unser nettes „Besitz DES Besitzers“ in ein „Besitzer NO Besitz“ umwandeln.
Tja… Glücklicherweise geht das System schnell in Fleisch und Blut über – – wenn man den Trick benutzt, statt des eben gelernten „des/der“ einfach ein „s“ dranzuhängen („Lights Death Note“, „Suzumiya Haruhis Melancholie“, „Bernds Jungfräulichkeit“, etc.). Mit einem „von“ oder „vom“ lässt es sich natürlich auch schön übersetzen. „Fensterbrett vom Nordfenster“, „My Little Pony-Actionfigur von Gebbi“, „Trauben-Nuss-Schokolade von Milka“, etc. (Achtung, da haben wir natürlich wieder die umgekehrte Reihenfolge!)
Personalpronomina (Ich, Du, Er/Sie/Es, Wir, Ihr, Sie, Banane) werden natürlich umgewandelt. „Ichs Haus“ ist grammatikalischer Blödsinn und „Haus des Ich“ schreiben nur Philosophen. Steinscheißer Karl schreibt lieber „Mein Haus“, „Dein Schuh“ oder „Haus von mir„, „Schuh von dir„, etc. Auch das Wörtchen „Wer“ verwandelt sich in Verbindung mit NO in ein „Wessen“, vorausgesetzt, man möchte wirklich wortwörtlich übersetzen. Immerhin kennen wir ja den berühmten Spruch, was dem Genitiv sein Tod ist. (Im Deutschen, wohlgemerkt! Im Japanischen ist der Genitiv weiterhin unglaublich wichtig!)
Wie bei allen Partikeln ist es auch bei NO immer Pflicht, es direkt hinter ein Wort (in diesem Fall ein Nomen) zu setzen; bei NO ist das natürlich immer der Besitzer. Einen Besitz hinten dranzuhängen ist schön, aber nicht zwingend. Auf „Wer NO Münze ist das?“ könnte ich nun brav und langweilig „Das ist Misaka NO Münze“ antworten, oder aber im Coolen-Kidz-Style „Misaka NO!!!“ sagen, weil ja aus dem Kontext heraus ersichtlich ist, dass es um eine von Misakas berüchtigten Münzen geht.
Durch meine freie Übersetzung ist es vielleicht nicht sofort ersichtlich, aber diese Methode ist keineswegs unhöflich.
Man kann auch längere Verknüpfungen mit NO bilden. „Haruko no Bassgitarre no Saite ist gerissen“ wäre mit der bisherigen Methode „Harukos Bassgitarres Saite ist gerissen“, aber das klingt seltsam und ist wahrscheinlich auch falsch. Wenn wir nun logisch auftrennen, welcher Besitzer welchen Besitz hat (Saite von der Bassgitarre, Bassgitarre von Haruko) wird klar, dass es in schönem Deutsch „Die Saite von Harukos Bassgitarre ist gerissen“ heißt. Die beste Strategie ist dabei, von links nach rechts zu gehen, alle Besitze langsam ihren Besitzern zuzuordnen und dann den Satz von rechts nach links auf Deutsch mit „vom/von“ oder „s“ aufschreibt, bis man irgendwann genug Sprachgefühl entwickelt hat, um die Zuordnungen auf einen Blick zu erkennen. Ja, das geht.
Das Wichtigste an diesem ganzen NO-Unsinn ist aber, dass man es niemals wörtlich übersetzen sollte. Man muss die Bedeutung kennen (Besitzer und Besitz), um einen japanischen Satz mit NO ins Deutsche übertragen zu können. Vielleicht ist das gerade bei dieser Partikel noch nicht immer ersichtlich, aber das sei mal allgemein gesagt, weil ich nicht weiß, wo ich es sonst hinschreiben könnte, es aber dennoch unglaublich wichtig ist: Japanisch ist keine europäische Sprache und sollte niemals wörtlich in eine andere Sprache übersetzt werden, und umgekehrt. (Es sei denn natürlich, es passt zufällig). Was könnte zum Beispiel bei NO passieren? Wenn man sich bloß merkt, dass NO einfach „von“ oder „vom“ heißt, könnte man schnell verwirrt werden, wenn man den Satz „Ich habe das Geschenk von Peter erhalten“ übersetzen will, weil wir hier zwar ein „von“ drinstehen haben, es aber keinen Besitz anzeigt, sondern eher ein Art Anzeige, woher ich etwas habe. „Geschenk NO Peter“ ist daher völliger Unsinn.
Ich kann eigentlich gar nicht oft genug betonen, wie wichtig freie Übersetzungen im Japanischen sind und wie falsch ein ganzer Satz plötzlich werden kann, wenn man ihn wortwörtlich übertragen möchte, aber damit belasse ich’s hier. Das Thema kommt sowieso wieder in den nächsten 9001 Grammatik-Kapiteln.
Ach ja, es gibt noch zwei weitere Bedeutungen von NO, aber die sind eher unwichtig. NO kann man auch als Fragepartikel am Satzende oder als generelle Satzabschlusspartikel verwenden – aber dazu komm ich ohnehin noch beim Kapitel über Fragesätze und Satzabschlusspartikel. 😛
Du no Schweiz NO Berg NO Haus NO zweiter Stock NO Hausmädchen NO Schlüpfer ist weiß!
Wer den Satz verstanden hat, hat NO verstanden.
¡ssıǝʍ ʇsı ɹıp uoʌ zıǝʍɥɔs ɹǝp uoʌ ƃɹǝq ɯoʌ snɐɥ ɯoʌ sʞɔoʇs uǝʇıǝʍz sǝp uǝɥɔpäɯsnɐɥ ɯoʌ ɹǝɟdülɥɔs ɹǝp
oder schöner:
¡ssıǝʍ ʇsı zıǝʍɥɔs ɹǝp uı ƃɹǝq ɯǝp ɟnɐ sǝsnɐɥ sǝuıǝp ʞɔoʇs uǝʇıǝʍz ɯoʌ suǝɥɔpäɯsnɐɥ sǝp ɹǝɟdülɥɔs ɹǝp
Gepostet von naich am 19.02.2012 | 18 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 6 –
Noch mehr Kana-Unsinn zum Auswendiglernen, um die Leser noch mehr zu vergraulen
Das ist nun ehrlich das letzte Kapitel, in dem es um Schriftzeichen geht, versprochen! Aber ohne ein bisschen mehr Hintergrundwissen kann man nicht selbstständig weiterlernen, also passt auf.
Seit Kapitel 1 wissen wir, wie man Wörter wie Neko oder Baka in der richtigen Schrift schreibt bzw. was z.B. わたし in lateinischer Schrift bedeutet. Eines Tages gewinnt aber plötzlich unser innerer Weeaboo-Schweinehund die Überhand und wir fangen an, unsere kleine Schwester Klothilde plötzlich „Klo-chan“ zu nennen. Weil wir auch schon so klug sind und uns alle Schriftzeichen aus Kapitel 1 gemerkt haben, versuchen wir, dieses „chan“ mal in Hiragana zu schreiben – aber wir scheitern schon am ersten Zeichen. Wir finden zwar ein „chi„-Zeichen, aber wo zur Hölle versteckt sich das „cha„?
Vor dem selben Problem standen auch die Japaner, als sie die Silbenschrift erfunden haben. Sie hatten bereits 47 Zeichen für jede Silbenschrift hingekritzelt, mussten sie für solche besonderen Laute wirklich noch mehr Zeichen erfinden? „Nein“, sagte Faulbert Faul aus der Faulstraße 12, „wir kombinieren einfach zwei Zeichen und schreiben das zweite Zeichen klein“. Und so wurden die kleinen Kana geboren.
Grundsätzlich nimmt man sich wirklich bloß ein großes Kana und kombiniert es mit einem kleinen Kana, das man hinten dranschreibt. Mögliche Kombinationen sind:
ki + ya –> kya ( き + ゃ –> きゃ )
ki + yu –> kyu ( き + ゅ –> きゅ )
ki + yo –> kyo ( き + ょ –> きょ )
shi + ya –> sha ( し + ゃ –> しゃ )
shi + yu –> shu (し + ゅ –> しゅ )
shi + yo –> sho ( し + ょ –> しょ )
chi + ya –> cha ( ち + ゃ –> ちゃ )
…
Ach, ich hab keine Lust mehr. Hier die Kurzfassung: Man nimmt sich ein KI, SHI, CHI, NI, HI, MI oder ein RI und kombiniert dieses Zeichen mit YA, YU oder YO, um zum Beispiel ein KYA, SHO (nicht „SHYO“!), CHU (nicht „CHYU“!), NYA, HYO, MYU oder ein RYA zu erhalten. Wie würde man dann also „chan“ schreiben?
Richtig: CHI – kleines YA – N (ちゃん).
Ist ja praktisch, so ne Kombinationsmöglichkeit. Hm, was heißt eigentlich „praktisch“ auf Japanisch? „Benri„, sagt mein kleines Wörterbuch, das blöderweise keine Kana-Schreibung nebenbei stehen hat, also muss ich’s mir wohl selbst aufschreiben. Uuuuuuuuuuuund wieder tappen wir gleich am Anfang auf eine Falle. Wo ist dieses verdammte „BE„?
Machen wir wieder eine Zeitreise zurück zu den Wurzeln der japanischen Silbenschriften. Die Japaner sitzen gemütlich beim Lagerfeuer und sind kurz davor, ein neues Zeichen für „BE“ zu erfinden, als aus heiterem Himmel Faulberts Schwester Faulina aufspringt und ruft: „Setzen wir über alle H-Zeichen in der Kana-Tabelle einfach zwei kleine Striche ( ゛ sog. „dakuten“) und nennen sie dann B-Zeichen!“
Tjo, und das haben die Japaner dann nicht nur mit H gemacht, sondern auch mit K, S und T.
KA, KI, KU, KE, KO ( か き く け こ ) | GA, GI, GU, GE, GO ( が ぎ ぐ げ ご ) |
SA, SHI, SU, SE, SO ( さ し す せ そ ) | ZA, JI, ZU, ZE, ZO ( ざ じ ず ぜ ぞ ) |
TA, CHI, TSU, TE, TO ( た ち つ て と ) | DA, JI, ZU, DE, DO ( だ ぢ づ で ど ) |
HA, HI, FU, HE, HO ( は ひ ふ へ ほ ) | BA, BI, BU, BE, BO ( ば び ぶ べ ぼ ) |
(Jep, die Umschriften, die doppelt vorkommen (JI und ZU) werden gleich ausgesprochen, aber für unterschiedliche Wörter verwendet, also Vorsicht!)
Das alles funktioniert natürlich auch wieder mit Kombinationen. Aus GI und einem kleinen YA wird GYA, aus JI und einem kleinen YO wird JO und aus BI und einem kleinen YU wird BYU. Mit diesen Kombinationen mache ich keine Liste oder Tabelle, weil ihr hier mitdenken sollt. Aus JI und YU wird zum Beispiel nicht JYU, sondern JU!
Frage: Haaalt stopp, da fehlt doch noch was! Wie schreibt man zum Beispiel das PA wie in „pan“ (Brot)?
Antwort: Wieder mit den H-Zeichen.
Frage: Aber sind die H-Zeichen nicht schon für die B-Zeichen zuständig?
Antwort: Nicht, wenn man statt den zwei Strichen einen Kreis hinkritzelt. ( ゜sog. „handakuten“)
So wird aus HA, HI, FU, HE und HO ( は ひ ふ へ ほ )
ein PA, PI, PU, PE und PO ( ぱ ぴ ぷ ぺ ぽ ). So einfach ist das! Jetzt können wir endlich alles in Kana schreiben, was wir wollen!
…
Nicht.
Uns fehlt noch das sogenannte Sokuon. Das ist ein klein geschriebenes TSU ( っ ), das dazu benutzt wird, um eine Art kurze Sprechpause zu bilden und in der Umschrift einen Doppelkonsonanten bildet. Wollen wir also das Wort „kappa“ (dieses grüne, gurkenfressende Viech aus der japanischen Mythologie) schreiben, brauchen wir so ein kleines TSU, um aus dem einzelnen P ein doppeltes P zu machen. かぱ wäre bloß ein langweiliges „Kapa„, aber wenn wir ein Sokuon dazwischenquetschen – かっぱ – wird daraus ein hübsches „Kappa„. Das funktioniert mit Kana aus den Spalten K, S und T.
Man merkt wohl, dass ich keine Lust mehr aufs Schreiben habe, oder? Das liegt daran, dass ich das Thema schon drölftausend Male erklärt hab und mir die Lust darauf vergangen ist – deswegen schauen wir uns jetzt zum Schluss noch schnell an, welche Ausnahmefälle es gibt, die normalerweise nicht in einem 0815-Kurs stehen.
Zum einen haben wir in unseren üblichen Transkriptionen manchmal einen kleinen Strich ( ‚ ) stehen. Das zeigt an, dass es in der Kana-Schreibung keine Kombination gibt, obwohl theoretisch eine gebildet werden könnte. Verwirrt? Gut, ein Beispiel:
„kin’youbi“ (Freitag), wie könnte man das schreiben? Machen wir es silbenweise:
- Zuerst ein KI ( き )
- Dann eine Kombination mittels NI und einem kleinen YO, sodass wir ein NYO erhalten ( きにょ )
- Nun nur noch ein U und ein BI, und fertig ist die Sache. ( きにょうび )
Tja, ihr dürft euch jetzt alle getrollt fühlen, denn durch den kleinen Strich in der lateinischen Umschreibung gilt diese Reihenfolge der Schreibung gar nicht. N‘ zeigt an, dass das N alleine stehen muss und es keine Kombination an der Stelle gibt. Machen wir’s diesmal richtig:
- Erst wieder das KI ( き )
- Jetzt müssen wir wegen des Strichs ein einzelnes N schreiben ( きん )
- Der Rest ist eh idiotensicher. YO-U-BI ( きんようび )
Okay, das war Punkt 1. Punkt 2 ist um einiges größer, weil zwar für Katakana dieselben Regeln gelten wie für Hiragana (also eigentlich das gesamte bisherige Kapitel), aber Katakana haben wegen ihres Zwanges, ganze fremde Sprachen irgendwie in das japanische Silbensystem zu zwängen, einige zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten. Und weil ich keine Lust mehr hab, die irgendwie in Prosatext zu erklären, gibt’s wieder ’ne Liste, hurra!
TE + kleines I ( テ + ィ ) | TI ( ティ ) |
DE + kleines I ( デ + ィ ) | DI ( ディ ) |
TO + kleines U ( ト + ゥ ) | TU ( トゥ ) |
DO + kleines U ( ド + ゥ ) | DU ( ドゥ ) |
SE + kleines I ( セ + ィ ) | SI ( セィ ) |
ZE + kleines I ( ゼ + ィ ) | ZI ( ゼィ ) |
CHI + kleines E ( チ + ェ ) | CHE ( チェ ) |
SHI + kleines E ( シ + ェ ) | SHE ( シェ ) |
JI + kleines E ( ヂ/ジ + ェ ) | JE ( ヂェ / ジェ ) |
U + kleines I ( ウ + ィ ) | WI( ウィ ) |
U + kleines E ( ウ + ェ ) | WE ( ウェ ) |
Das sind allerdings keine standardisierten Kombinationsmöglichkeiten, also Angaben ohne Gewehr oder sonstige Schusswaffen.
Noch was zum Schluss: In Katakana werden Vokale üblicherweise nicht mit der zweiten Schreibung des jeweiligen Vokals verdoppelt (also OO schreibt man nicht オオ), sondern mit dem sogenannten „chouon„ ( ー ). Dobermann wird also nicht etwa ドオベルマン geschrieben,
sondern ドーベルマン. (Aber es wird trotzdem als „dooberuman“ oder „dōberuman“ umschrieben. Transkriptionen, u so silly.)
Gibt’s nach diesem anstrengenden Kapitel noch irgendwas zur japanischen Schrift und zu Transkriptionen zu sagen? Ja, jede Menge sogar, aber mein Versprechen ganz oben im Text breche ich lieber viiieeeel später, wenn es alle vergessen haben 😀
Gepostet von naich am 12.02.2012 | 11 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 5 –
Tims großes Abenteuer
Wem Anreden schnurzegal sind und sowieso zu blöd ist, sich diese ganzen komischen Persohnalbronommina zu merken, der darf sein Sprachniveau in die Steinzeit zurückversetzen und sich selbst einfach in der dritten Person anreden. Wenn Tim Furznase eines Tages vom Himmel herab auf die Erde stürzt, keine Ahnung von gar nichts hat und plötzlich ein bärtiger, alter, halbnackter Mann mit Schwimmreifen um die Hüfte, einer Kalaschnikow in der linken Hand und einem Stück Kastenbrot in der rechten Hand auftaucht und Tim (verständlicherweise) kein Stück versteht, was zum Teufel hier gerade abläuft, und er auch nicht weiß, ob dieser Mann gesellschaftlich über oder unter ihm steht, dann sagt er vermutlich: „Entschuldigen Sie, dürfte Tim fragen, was hier los ist?“
Er nennt einfach seinen eigenen Namen (ohne Anrede, das wäre unhöflich), anstatt irgendein Wort für „Ich“ einzusetzen. Diese Methode benutzt man nicht nur, wenn man den gesellschaftlichen Stand des Gegenüber nicht kennt, sondern auch, um eine gewisse Niedlichkeit und Naivität auszudrücken. Ergo: Japanische Schulmädchen dürfen diese Methode benutzen, alle anderen würden damit in der Gesellschaft eher Unsicherheit zeigen.
Tim Furznase war früher ein ganz normaler Angestellter in einer kleinen japanischen Firma. Gegenüber all seinen Arbeitskollegen, mit denen er nicht befreundet war, hat er stets das geschlechtsneutrale, höfliche watashi verwendet. Watashi ist allgemein sehr neutral. Jeder, für den keine eindeutigen Alternativen existieren (z.B. für Kinder), kann es immer und überall verwenden, ohne dabei schief angeguckt zu werden oder zu höflich/unhöflich zu klingen. So steht es zwar in gefühlten 130% aller Lehrbücher, aber in der Praxis verwenden Frauen watashi öfter als Männer, weil es für Männer genug Alternativen gibt.
Als kleiner Junge hat sich Tim überall und bei jedem mit boku angesprochen. Boku wird aber auch allgemein bei Männern im Familien- und Freundeskreis verwendet, bis sich die langweilige Bubi-Brigade dazu entschlossen hat, boku in jedem Alter und Umfeld zu benutzen. Manchmal hört man auch kleine Mädchen boku sagen, aber das kann entweder heißen, dass es sich „männlich“ fühlt, naiv und kindlich wirken will oder schlicht und einfach noch zu jung ist, um den Unterschied zu verstehen.
Tja, da Tim ebenfalls zur langweiligen Bubi-Brigade zählte und die fiese Männer-Gang eines Tages bemerkte, dass man Tim mit seinem Nachnamen doch furchtbar gut ärgern konnte, musste sich Tim in seiner Jugend gegen die fiese Männer-Gang durchsetzen, indem er statt boku nun überall ore sagte. Ore ist die ruppige Version von boku. Verwendet wird es von Männern, die ein gewisses Maß an Selbstvertrauen und Rauheit demonstrieren wollen. Frauliche Frauen verwenden es gar nicht.
Ein großer Tag für Tim – er wird endlich befördert! Bei seiner Feier kommen viele seiner Arbeitskollegen, unter anderem auch sein Boss, und bei dem verwendet er natürlich das besonders höfliche watakushi. Es ist ein sehr bescheidenes Wort und wird immer dann verwendet, wenn man höflicher und unterwürfiger klingen will, als es watashi erlaubt. Watakushi ist perfekt auf solche formellen Anlässe zugeschnitten.
Tims Frau Timotea hat nicht so viel Auswahl wie ihr Lebenspartner bei diesen Personalpronomina in der ersten Person Singular, aber sie darf dafür überall und in allen Lebenslagen atashi sagen. Äh, ja. Das war auch schon wieder alles, was es zu diesem Wort zu sagen gibt. Frauen verwenden es immer, männliche Männer nie, Punkt.
Weil mir kein vernünftiges Beispiel zur letzten Anrede einfällt, setze ich einfach das erste Beispiel mit dem alten Mann fort. Das war ja immerhin das vernünftigste Beispiel bis jetzt!
Nachdem Tim den Mann gefragt hat, was um alles in der Welt überhaupt passiert ist, bewegt dieser unendlich langsam sein faltiges Gesicht, öffnet seinen Mund, holt tief Luft und spricht mit tiefer und lauter Stimme:
Washi bin dein Opa.
Washi ist die veraltete Form von watashi. Außer weißhaarigen Greisen und hochbetagten Omas verwendet es heute niemand mehr, aber wenn man jemanden washi sagen hört, weiß man zumindest, dass diese Person richtig alt ist.
Hm? Was „o-mae“ bedeutet? Das erfahrt ihr alle in der Fortsetzung von „Tims großes Abenteuer!“ Freut euch, das Kapitel kommt sicher schon „bald“ *hust*.
So, die restlichen Anredeformen für „Ich“ hört man nicht mehr so häufig und sind auch nicht so spannend wie die obigen, aber ich zähl mal trotzdem die auf, die mir gerade einfallen.
- Uchi
Das Wort ist eigentlich nicht besonders höflich, aber im Kansai-Dialekt hat uchi watashi schon fast ersetzt und besitzt dort auch dieselben Eigenschaften. Man kann es schon im standardjapanischen Tokyo-Dialekt auch verwenden, aber dann meint man meistens nicht nur sich selbst, sondern die ganze eigene Familie.
- Jibun
Jibun bedeutet so was wie „das eigene Selbst“ und wird fast nur in der Militärsprache als Anrede für sich selbst verwendet. Das heißt nicht, dass jibun nicht in der Alltagssprache benutzt wird, aber in einem anderen Kontext und selten als reine „Ich“-Anrede.
- Atakushi
Das soll die weibliche Version von watakushi sein, es hat sich jedoch nicht übermäßig durchgesetzt und kaum eine Frau verwendet den Begriff, nicht mal auf gehobenen Festen.
- Kochira
Kochira bedeutet wörtlich übersetzt „Hier, bei mir“ und besitzt in etwa dieselben Eigenschaften wie das normale watashi – nur, dass es höflicher ist und man es viel seltener verwendet.
- Wagahai
Dieses Wort ist für die wichtigsten Wichtigtuer und für die metallischsten Metaller. Es ist für die japanischen Hardrocker und Metaller mindestens genauso wichtig wie das Headbangen. Man kann es aber auch verwenden, wenn man mit Freunden rumalbern will. Gegenüber dem Firmenchef sollte man es halt möglichst vermeiden.
- Wai, watai
So wie watashi, nur Osaka-Dialekt. Langweilige Erklärung ist langweilig.
Gut, das müssten wohl die Wichtigsten gewesen sein. Schreibt einen Kommentar, wenn euch noch welche einfallen! 😀
Gepostet von naich am 05.02.2012 | 11 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte, desu
Kapitel 4 v2 desu –
Suiseiseki is mai waifu… desu.
Man hört es ständig, man liest es ständig, man wird im großen Internet mit diesem Wort regelrecht erschlagen… Aber niemand weiß wirklich, was es heißt. Dabei hat desu (です) doch eine so einfache Bedeutung. Desu ist nichts anderes als die in der traditionellen Linguistik und Methodologie genannte Kopula, die ein Kopula-Band zwischen einem Träger des durch das Verb ausgedrückten Geschehens und der Satzaussage selbst bildet. Ist doch einfach, was?
Nicht? Okay, von vorne.
Die Kopula ist in der deutschen Sprache eigentlich kein Wort, sondern eher ein Sprachkonzept. Eine Kopula beschreibt eine Art Zuweisung eines Verbs zu einem Nomen. Wenn ich sage „Peter ist groß“, dann wissen wir rein aus der Logik des Satzes, dass es um jemanden namens „Peter“ geht, der anscheinend eine stattliche Körpergröße besitzt. Das Adjektiv „groß“ wird sozusagen dem Subjekt „Peter“ zugewiesen. Diese Zuweisung wird vom kleinen „ist“ angezeigt, was bedeutet, dass dieses „ist“ unsere Kopula in diesem Fall darstellt.
So, jetzt haben wir zwei Widersprüche.
F1) Öh, du hast gesagt, dass ein Verb einem Nomen zugewiesen wird, kein Adjektiv!
A1) Das stimmt auch so, denn in diesem Fall ist ein sog. „prädikatives Adjektiv“ gemeint. Das ist sozusagen eine Kombination aus dem Prädikat (was ja ein Verb ist) und dem Adjektiv (also zusammengefasst „ist groß“). Das funktioniert auch mit Nomen (zB. „Peter ist Fußballspieler“), nur dass hier der Begriff „nominales Prädikat“ richtiger ist. Diese Satzteile werden übrigens als „Prädikativ“ bezeichnet. Ja, Jungz und Mädelz, die Kopula ist echte Sprachwissenschaft!
F2) Waaaas? Du hast doch gesagt, dass die Kopula kein Wort ist, sondern irgendein Sprachko… Sprak… Sprachkno… irgendwas Kompliziertes!
A2) Das funktioniert auch nur zufällig mit Worten wie „sein“, „bleiben“, „werden“ usw. in allen möglichen Flektionen. In vielen Fällen versteckt sich die Kopula auch, zB in „Der Fußballspieler heißt Peter“. Hier haben wir kein Kopulaverb im eigentlichen Sinn, dafür wissen wir rein aus logischer Sicht, dass man mit dem Verb „heißen“ auch eine Zuweisung angibt. Dem Namen des Fußballspielers wurde „Peter“ zugewiesen. Formuliert man den Satz mit der Hilfe eines Genitivs in „Der Name des Fußballspielers ist Peter“ um, kommen wir zum gleichen logischen Ergebnis und wir haben sogar ein „ist“ im Satz.
In Japan hat man sich gedacht, dass wir mit unserem „ist“- und „werden“-Quatsch viel zu viele mögliche Wörter für die Kopula haben, also haben sie sich beim abendlichen Scrabblespielen einfach schnell eine einzige Bezeichnung für die Kopula zusammengebastelt – de gozaru. Weil alle Japaner aber grundsätzlich als Kavaliere geboren werden und gesittet miteinander reden wollen, haben sie sich auch eine höflich Variante dazu ausgescrabbelt: de gozaimasu. Einen Tag später kamen sich die Japaner allerdings in die Haare. Sie wollten das Wort kürzer machen, aber die Rüpel der South Gang verlangten unbedingt ein cooleres, lockereres Wort für de gozaimasu, während sich die gebildeten Leute der Gentlemen des Nordens natürlich ein streng höfliches Wort dafür wünschten. Am Abend hatte dann die kleine, magische Fee der japanischen Sprache die Nase voll und teilte de gozaimasu in das informelle da und das höfliche desu (von de gozaimasu). The end.
Die Geschichte lief natürlich nicht so ab, aber es stimmt schon, dass de gozaru eigentlich der ursprüngliche Infinitiv des förmlichen desu und des ungezwungeneren da ist. Wenn man also höflich darauf hinweisen will, dass das Gegenüber ein Idiot ist, sagt man „Anata ga baka desu“ („Ich möchte Sie mit Verlaub höflichst darauf hinweisen, dass Sie momentan nicht besonders zurechnungsfähig sind.“), will man hingegen lockerer wirken, sagt man „Anata ga baka da“ („Du bist blöd.“). Nicht vergessen: Japanische Prädikate werden immer an das Satzende gehängt.
Natürlich hat das Japanische neben den drei genannten auch noch andere Arten von Kopula-Hilfsverben (zB „ni naru“), spricht man aber von der japanischen Kopula, ist fast immer da oder desu gemeint. Ebenso wie im Deutschen kann sich die Kopula übrigens auch im Japanischen vollständig verstecken.
Warum die süßen japanischen Schulmädchen und eine gewisse Puppe mit bichromem Augen desu so übermäßig oft benutzen, liegt daran, dass exzessives Nennen dieses Wortes in Japan als besonders niedlich (weil „höflich“ *hust*) gilt. Das funktioniert auch nur mit desu! Würden die japanischen Mädchen an alles ein da anfügen, wäre das nicht nur nicht mehr so süß und artig, sondern auch grammatikalischer Stuss, weil man desu zur Verstärkung der Höflichkeit bei Zustandsverben verwenden darf, da aber nicht!
Wie? Die Schulmädchen sagen desu auch bei anderen Verben?
Gepostet von naich am 29.01.2012 | 25 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 3
… WURDE NEU VERFASST, UND ZWAR
Gepostet von naich am 22.01.2012 | 25 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 2
… WURDE NEU VERFASST, UND ZWAR
Gepostet von naich am 15.01.2012 | 29 Kommentare
Japanisch für den allergrößten Volltrottel, der sich niemals fortpflanzen sollte
Kapitel 1
… WURDE NEU VERFASST, UND ZWAR
Gepostet von naich am 08.01.2012 | 24 Kommentare