Dass »Attack on Titan« in den letzten Jahren zu einem absoluten Kult-Anime erwachsen ist, ist hinlänglich bekannt. Wirklich überraschend ist, dass auch die Spieleumsetzungen ihren Job sehr gut machen. Ist ja schließlich nicht immer so.. Hier gab sich jüngst mit »A.O.T. 2« der neueste Kracher seine Ehre und entführt den Spieler in die ersten zwei Staffeln des Anime sowie in den erbitterten Kampf gegen die Titanen.
Diese haben nämlich vor rund 100 Jahren die Welt überrannt und einen Großteil der Menschheit verputzt. Da die laufenden Hochhäuser nur im Nacken verwundbar sind und sonst nicht sterben können, müssen sich die Menschen hinter 50 Meter hohen Mauern verstecken und fristen ein karges Leben auf engstem Raum. Wo es im ersten Teil noch direkt mit Manga-Held „Eren Jäger“ auf die Jagd ging, übernehmen wir diesmal die Steuerung eines eigenen Alter Ego, das wir per Charakter-Editor komplett anpassen können. An der Seite bekannter Figuren wie Mikasa, Armin, Sascha oder Jean melden wir uns für die Ausbildung zum Soldaten an und erleben danach den Angriff der Titanen auf die Stadt Trost.
Entwickler Omega Force und Publisher Koei Tecmo geben sich dabei allergrößte Mühe, alles so nah wie möglich an der Story des Animes zu orientieren. Vor allem die Zwischensequenzen, die in Spielgrafik gerendert sind, wirken dabei fast immer wie 1:1 umgesetzt – auch die japanischen Originalsprecher sind dabei. Deutsche Spieler erhalten immerhin lokalisierte Menüs und Untertitel.
Kerninhalt von A.O.T. 2 sind die streckenweise mehrteiligen Missionen, in denen es eigentlich immer darum geht Titanen zu töten. Dabei kommt das bekannte 3D-Manöver-Konzept zum Einsatz, was im Spiel erstklassig umgesetzt wurde. Es macht einfach übelst Laune, im Affenzahn über die Karte zu heizen und sich in waghalsigen Angriffen auf die Titanen zu stürzen. Dabei bietet jede Mission Haupt- und Nebenziele – letzteres bedeutet in der Regel dass wir einen bekannten Kameraden aus einer brenzligen Situation retten müssen, worauf dieser sich dann für die Dauer der Mission unserem Team anschließt und für Team-Attacken zur Verfügung steht. Das wird besonders dann ein Fest, wenn wir Elite-Kämpfer wie Levi oder Erwin an unserer Seite haben.
Die Missionen spielen sich flott, sind aber komplett repetitiv. Wirkliche Abwechslung bekommt man höchstens in den Dialogen geboten. Hier wird A.O.T. 2 vor allem etwas für Fans des Animes. Wer keine Ahnung von der komplexen Geschichte hat und sich nicht zumindest nebenher in Wikis beließt, wird schnell nur noch Bahnhof verstehen. Ein wichtiges Element des Spiel ist zum Beispiel die soziale Interaktion, bei der wir in Gesprächen mit Kameraden immer die richtige Antwort wählen müssen, um dadurch unseren Freundschaftsgrad zu erhöhen und neue Skills freizuschalten. Hier ist der im Vorteil, der zumindest grundlegend weiß, wie die Figuren ticken.
Zwischen den Missionen ist man in einer der Städte oder auf der Kaserne unterwegs. Hier gibt es neben den sozialen Funktionen und den kleineren Dialogen vor allem weitere Nebenmissionen (zum Erfahrungspunkte- und Materialiengewinn) und Shops. Ein wichtiger Punkt ist der ständige Ausbau unserer Ausrüstung, da die Titanen im Laufe des Spiels natürlich stärker werden. Das Konzept wirkt ehrlich gesagt etwas aufgesetzt und bietet kaum Motivation und ist nur deswegen relevant, da man sonst bald zu wenig Schaden macht, um eine hohe Bewertung im Missions-Schlussbildschirm zu erreichen.
Gekämpft wird in A.O.T. 2 immer auf großen Karten, auf denen wir an vorgegebenen Orten strategische Gebäude für den Nachschub, Materialenbeschaffung oder Geschütze aufstellen müssen. Da unsere Ressourcen nie für eine ganze Runde ausreichen, ist das Micromanagement hier wirklich wichtig und entscheidet über Sieg oder Niederlage. Allerdings ist das Ganze zum Glück keine Raketenwissenschaft und die Logik dahinter schnell verstanden.
Alles in allem ist A.O.T. 2 ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene Anime-Spieleumsetzung und ein Muss für jeden Fan. Zwar könnten sich die Entwickler fürs nächste Mal noch um mehr Abwechslung bemühen, aber wer den Anime oder den Manga mag, wird sehr viel Spaß mit Attack on Titan 2 haben.
Gepostet von hijuga am 29.04.2018 | Keine Kommentare
Eigentlich liegt in der dunklen Putzkammer von NanaOne noch ein fast fertiger Testbericht zu »Nioh« herum. Allerdings hatte ich es nie geschafft, den mal fertig zu schreiben. Schande über mich! Glücklicherweise bekomme ich jetzt dafür eine neue Chance, denn jüngst hat das Hardcore-Rollenspiel eine PC-Umsetzung erhalten und ist als »Nioh: Complete Edition« bei Steam erschienen. Rund neun Monate nach der Erstveröffentlichung auf PS4 bekommen PC-Spieler eine Komplettfassung mit Hauptspiel und allen Story-DLCs serviert. Warum ihr euch Nioh unbedingt kaufen solltet, verrate ich euch jetzt (endlich). Darauf habt ihr immerhin viele Monate gewartet!
Er sieht nicht nur so aus wie der gute Geralt aus »The Witcher 3«, nein, Protagonist „William Adams“ ist ebenfalls eine totale taffe Sau, wenn es darum geht, sich mit Waffengewalt durch Feindeshorden zu kloppen. Im alternativen Japan des 1600 Jahrhunderts hat er dafür auch reichlich Möglichkeiten, denn das machthungrige British Empire hat einen Krieg unter den Fürsten des Landes angezettelt, den wir aus der realen Geschichte als „Schlacht von Sekigahara“ kennen und aus der der Tokugawa-Shogunrat hervorging. Im spielerischen Paralleluniversum dient das allerdings nur als als lose Plattform, denn alles dreht sich um übernatürliche Mächte und die sogenannten „Amrita“ Wundersteine, die Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten beschenken, oder in blutrünstige Dämonen verwandeln. Diese Steine will sich die Königin von England aneignen und so die Weltherrschaft erlangen. Damit dies geschehen kann, muss reichlich Blut fließen und diesem Bestreben folgt Nioh ohne mit der Wimper zu zucken. Dabei hangelt sich das Rollenspiel von Koei Tecmo und Team Ninja immer an der japanischen Vergangenheit entlang, sogar William Adams gab es wirklich – auch wenn das mit den Dämonen wahrscheinlich unwahrscheinlich ist.
Auf der PS4 rangierte Nioh als Geheimtipp für Hardcore-Fans und gehört zu dieser Art Games, bei denen wir am Anfang erst mal sehr viel Lehrgeld in Form von Nerven lassen. Während William nach nur wenigen Treffern das Zeitliche segnet, wirken unser Gegner oft wie unbezwingbare Stahlkolosse, um die wir uns tänzelnd bewegen müssen, um sie im richtigen Augenblick mit gut platzierten Treffern aus dem Bild zu kicken. Wer da nicht frustresistent ist, verabschiedet mit Sicherheit den einen oder anderen Controller in die ewigen Jagdgründe oder gibt verzweifelt auf. Nioh ist kein Spiel für Gelegenheitshelden.
Nun könnte man glatt dem Irrtum erliegen, dass es sich hier wieder „nur“ um einen Dark-Souls-Klon handelt. Doch das wäre fatal! Sicherlich, in seinen ersten Momenten erinnert das Rollenspiel frappierend an das Meisterwerk von From Software, doch schnell geht Nioh eigene Wege, setzt eigene Akzente. Das beginnt schon bei der Story, dich sich in Haupt- und Nebenmissionen unterteilt, welche wir auf einer großen Karte auswählen können. Nach erfolgreichen Abschließen sogar nochmals unter verschärften Bedingungen, um bessere Beute und mehr Amrita bzw. Erfahrungspunkte zu erhalten. Aber auch das Handling der Waffen oder die Systematik der Speicherpunkte haben ihre ganz eigene Note. Wer versucht Nioh wie ein typisches Souls-Game zu spielen, stößt schnell an seine Grenzen. Alleine die waffenspezifischen Kombos, die mit freischaltbaren Skills sogar noch erweitert werden können, oder der „KI-Impuls“, den wir nach erfolgreicher Ausführung jener Kombos nutzen, um im Kampf unsere Ausdauer wieder aufzufüllen, bedeuten umdenken. Dazu gesellen sich drei verschiedene Haltegriffe, die noch mal unterschiedliche Vor- und Nachteile mitbringen, und die Tatsache, dass wir jede Waffe einzeln leveln müssen, um ihre maximale Kraft zu entfalten. Klingt erst mal nach viel trockener Theorie, spielt sich aber unglaublich flott. Wer den Walzer aus Ausweichen, Kombos und KI-Impuls verinnerlicht, erlebt extrem dynamische Auseinandersetzungen.
Genauso komplex wie das Kampfsystem, kommt das Beuteschema daher. Hier kupfert Nioh gekonnt bei Diablo ab und beschenkt uns mit reichlich Loot, in verschiedensten Qualitätsstufen. Grob erklärt findet man in jedem Level immer wieder gleiche bzw. ähnliche Items, die aber mit wechselnden Seltenheitsstufen und unterschiedlichen Boni jedes Mal etwas anders ausfallen können. Es lohnt sich also Farm-Runs einzulegen, um sich die perfekte Ausrüstung zu sammeln. Zwar wirkt es leicht wie eine ausgemachte Inflation, wenn ich auf dem Weg zum Spielende alle paar Minuten Ausrüstungsteile austausche, aber der Zufallsfaktor und das Glücksgefühl, ein besonders seltenes Teil ergattert zu haben, motiviert ungemein. Wer es noch spezifischer mag, kann sich auch am Crafting auslassen und seine Fundstücke in der Schmiede weiter verbessern.
Mit einem Kaufpreis von um die 50 Euro steigen die Erwartungen, doch mit rund 60 bis 100 Stunden Spielzeit (je nachdem, wie viele Nebenmissionen ihr abschließt) serviert euch die Complete Edition ein wahres Brett an Umfang. Allerdings dürfen PC-Spieler nur einen mittelmäßigen Port erhalten, der zwar tut was er soll, sich aber keine Mühe gibt, Nioh zum waschechten PC-Spiel werden zu lassen. Die optischen Einstellungen im Launcher lassen nur 16:9-Auflösungen zu, die Bildschirmrate kann maximal auf 60 Bilder pro Sekunde eingestellt werden und wer kein Gamepad besitzt, braucht die Steuerung mit der Tastatur erst gar nicht probieren – die Maus kann im Spiel nämlich nicht verwendet werden und der Versuch, das bockharte Gameplay nur mit Tasten zu meistern, dürfte eher etwas für bekennende Masochisten sein.. Das sollte zwar kein Grund sein, das grandiose Spiele zu meiden, aber dennoch geht Koei Tecmo hier den schweren Weg und enttäuscht PC-Fans.
Kleiner Fakt am Rande: Nioh war bereits seit 2004 in Entwicklung und wurde mehrfach verschoben. Daher merkt man dem Spiel auch an, dass es durch die wechselnden Entwickler und zeitlichen Abstände verschiedenste Ideen in sich vereint. Wir haben also eine Spielwelt, die an Onimusha erinnert, ein Kampfsystem wie aus Ninja Gaiden, mit dem Schwierigkeitsgrad von Dark Souls und Diablos Loot-Konzept. Klingt erst mal verrückt, doch genau diese Mischung mach Nioh zu einem wirklich außergewöhnlichen Erlebnis, das ihr allerdings nur dann genießen könnt, wenn ihr tatsächlich Nerven wie Drahtseile habt und euch von ein paar Bildschirmtoden nicht die Frisur vermasseln lasst.
Gepostet von hijuga am 29.11.2017 | 3 Kommentare