Zwischen Dark Souls und Diablo: NIOH (PC) im Test

Eigentlich liegt in der dunklen Putzkammer von NanaOne noch ein fast fertiger Testbericht zu »Nioh« herum. Allerdings hatte ich es nie geschafft, den mal fertig zu schreiben. Schande über mich! Glücklicherweise bekomme ich jetzt dafür eine neue Chance, denn jüngst hat das Hardcore-Rollenspiel eine PC-Umsetzung erhalten und ist als »Nioh: Complete Edition« bei Steam erschienen. Rund neun Monate nach der Erstveröffentlichung auf PS4 bekommen PC-Spieler eine Komplettfassung mit Hauptspiel und allen Story-DLCs serviert. Warum ihr euch Nioh unbedingt kaufen solltet, verrate ich euch jetzt (endlich). Darauf habt ihr immerhin viele Monate gewartet!

Er sieht nicht nur so aus wie der gute Geralt aus »The Witcher 3«, nein, Protagonist „William Adams“ ist ebenfalls eine totale taffe Sau, wenn es darum geht, sich mit Waffengewalt durch Feindeshorden zu kloppen. Im alternativen Japan des 1600 Jahrhunderts hat er dafür auch reichlich Möglichkeiten, denn das machthungrige British Empire hat einen Krieg unter den Fürsten des Landes angezettelt, den wir aus der realen Geschichte als „Schlacht von Sekigahara“ kennen und aus der der Tokugawa-Shogunrat hervorging. Im spielerischen Paralleluniversum dient das allerdings nur als als lose Plattform, denn alles dreht sich um übernatürliche Mächte und die sogenannten „Amrita“ Wundersteine, die Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten beschenken, oder in blutrünstige Dämonen verwandeln. Diese Steine will sich die Königin von England aneignen und so die Weltherrschaft erlangen. Damit dies geschehen kann, muss reichlich Blut fließen und diesem Bestreben folgt Nioh ohne mit der Wimper zu zucken. Dabei hangelt sich das Rollenspiel von Koei Tecmo und Team Ninja immer an der japanischen Vergangenheit entlang, sogar William Adams gab es wirklich – auch wenn das mit den Dämonen wahrscheinlich unwahrscheinlich ist.

Auf der PS4 rangierte Nioh als Geheimtipp für Hardcore-Fans und gehört zu dieser Art Games, bei denen wir am Anfang erst mal sehr viel Lehrgeld in Form von Nerven lassen. Während William nach nur wenigen Treffern das Zeitliche segnet, wirken unser Gegner oft wie unbezwingbare Stahlkolosse, um die wir uns tänzelnd bewegen müssen, um sie im richtigen Augenblick mit gut platzierten Treffern aus dem Bild zu kicken. Wer da nicht frustresistent ist, verabschiedet mit Sicherheit den einen oder anderen Controller in die ewigen Jagdgründe oder gibt verzweifelt auf. Nioh ist kein Spiel für Gelegenheitshelden.

Nun könnte man glatt dem Irrtum erliegen, dass es sich hier wieder „nur“ um einen Dark-Souls-Klon handelt. Doch das wäre fatal! Sicherlich, in seinen ersten Momenten erinnert das Rollenspiel frappierend an das Meisterwerk von From Software, doch schnell geht Nioh eigene Wege, setzt eigene Akzente. Das beginnt schon bei der Story, dich sich in Haupt- und Nebenmissionen unterteilt, welche wir auf einer großen Karte auswählen können. Nach erfolgreichen Abschließen sogar nochmals unter verschärften Bedingungen, um bessere Beute und mehr Amrita bzw. Erfahrungspunkte zu erhalten. Aber auch das Handling der Waffen oder die Systematik der Speicherpunkte haben ihre ganz eigene Note. Wer versucht Nioh wie ein typisches Souls-Game zu spielen, stößt schnell an seine Grenzen. Alleine die waffenspezifischen Kombos, die mit freischaltbaren Skills sogar noch erweitert werden können, oder der „KI-Impuls“, den wir nach erfolgreicher Ausführung jener Kombos nutzen, um im Kampf unsere Ausdauer wieder aufzufüllen, bedeuten umdenken. Dazu gesellen sich drei verschiedene Haltegriffe, die noch mal unterschiedliche Vor- und Nachteile mitbringen, und die Tatsache, dass wir jede Waffe einzeln leveln müssen, um ihre maximale Kraft zu entfalten. Klingt erst mal nach viel trockener Theorie, spielt sich aber unglaublich flott. Wer den Walzer aus Ausweichen, Kombos und KI-Impuls verinnerlicht, erlebt extrem dynamische Auseinandersetzungen.

Genauso komplex wie das Kampfsystem, kommt das Beuteschema daher. Hier kupfert Nioh gekonnt bei Diablo ab und beschenkt uns mit reichlich Loot, in verschiedensten Qualitätsstufen. Grob erklärt findet man in jedem Level immer wieder gleiche bzw. ähnliche Items, die aber mit wechselnden Seltenheitsstufen und unterschiedlichen Boni jedes Mal etwas anders ausfallen können. Es lohnt sich also Farm-Runs einzulegen, um sich die perfekte Ausrüstung zu sammeln. Zwar wirkt es leicht wie eine ausgemachte Inflation, wenn ich auf dem Weg zum Spielende alle paar Minuten Ausrüstungsteile austausche, aber der Zufallsfaktor und das Glücksgefühl, ein besonders seltenes Teil ergattert zu haben, motiviert ungemein. Wer es noch spezifischer mag, kann sich auch am Crafting auslassen und seine Fundstücke in der Schmiede weiter verbessern.

Mit einem Kaufpreis von um die 50 Euro steigen die Erwartungen, doch mit rund 60 bis 100 Stunden Spielzeit (je nachdem, wie viele Nebenmissionen ihr abschließt) serviert euch die Complete Edition ein wahres Brett an Umfang. Allerdings dürfen PC-Spieler nur einen mittelmäßigen Port erhalten, der zwar tut was er soll, sich aber keine Mühe gibt, Nioh zum waschechten PC-Spiel werden zu lassen. Die optischen Einstellungen im Launcher lassen nur 16:9-Auflösungen zu, die Bildschirmrate kann maximal auf 60 Bilder pro Sekunde eingestellt werden und wer kein Gamepad besitzt, braucht die Steuerung mit der Tastatur erst gar nicht probieren – die Maus kann im Spiel nämlich nicht verwendet werden und der Versuch, das bockharte Gameplay nur mit Tasten zu meistern, dürfte eher etwas für bekennende Masochisten sein.. Das sollte zwar kein Grund sein, das grandiose Spiele zu meiden, aber dennoch geht Koei Tecmo hier den schweren Weg und enttäuscht PC-Fans.

Kleiner Fakt am Rande: Nioh war bereits seit 2004 in Entwicklung und wurde mehrfach verschoben. Daher merkt man dem Spiel auch an, dass es durch die wechselnden Entwickler und zeitlichen Abstände verschiedenste Ideen in sich vereint. Wir haben also eine Spielwelt, die an Onimusha erinnert, ein Kampfsystem wie aus Ninja Gaiden, mit dem Schwierigkeitsgrad von Dark Souls und Diablos Loot-Konzept. Klingt erst mal verrückt, doch genau diese Mischung mach Nioh zu einem wirklich außergewöhnlichen Erlebnis, das ihr allerdings nur dann genießen könnt, wenn ihr tatsächlich Nerven wie Drahtseile habt und euch von ein paar Bildschirmtoden nicht die Frisur vermasseln lasst.

Autor:
Datum: 29.11.2017
Kategorien: Blog, Gaming-Reviews, Koei Tecmo

  1. 1 | Manuel

    Koei Tecmo haben leider mit Dead or Alive 5 sehr eindrucksvoll bewiesen, wie schlecht PC-Ports von denen behandelt werden. Scheint sich nun mit Nioh fortzusetzen 🙁

    • 2 | naich

      Pls, Koei Tecmo hat die letzten 4 Jahre (= seit sie PC-Ports veröffentlichen) keinen einzigen anständigen PC-Port geliefert, die hat die PC-Community noch nie sonderlich gekümmert. Wir sind quasi ein kleiner finanzieller Bonus, den Koei Tecmo jedes Mal mit Minimalaufwand erreicht.

  2. 3 | Naiko

    Koei selbst ist eine der wenigen japanischen Spieleschmieden, die noch ordentliche PC-Spiele programmieren können und wollen (im Gegensatz zu Nihon Falcom. Schämt euch!). Sowohl technisch als auch inhaltlich sind deren Spiele verdammt gut. Okay, grafisch könnte man so einiges verbessern, aber die Japaner legen mehr Wert auf andere Aspekte.
    Koei hat schon vor über 20 Jahren PC-Spielen entwickelt und liefert auch noch heute solide Arbeit wie „Nobunaga no Yabou: Souzou“ und „Sangokushi XIII“ ab. Beide Spiele laufen hervorragend und stabil auf dem PC.
    Für die schlechten Ports sind die Entwickler Omega Force (Warriors-Spiele) und Team Ninja (Niou (Hepburn ist doch Standard?)) verantwortlich. Gut zu wissen, dass ein paar Urgesteine der Branche es immer noch draufhaben und in Zeiten von Billigspielen und -Apps noch Sachen für ein etwas gebildeteres und erwachseneres Publikum veröffentlichen. Auch ArtDink ist hier lobend zu erwähnen.

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