Besser als je zuvor: Yakuza Kiwami rockt die PS4 (Test)

In Japan längst ein Teil der Pop-Kultur, sind die Spiele aus SEGAs »Yakuza«-Serie bei uns eher unterhalb des Radars zu finden. 2006 noch pompös mit englischer Sprachausgabe auch hierzulande für die PlayStation 2 veröffentlicht, scheiterte das Gangster-Epos, das in Japan bereits 2005 erschien und ein Riesen-Hit wurde, an den Ladenkassen und wurde zum finanziellen Flop – wenngleich die Wertungen im soliden 70er-Bereich landeten. Die Konsequenz von SEGA: Yakuza wird als „wenig relevant“ für den westlichen Markt erachtet und nur mit großer Verspätung lokalisiert. Jeder Teil erscheint daher mit mehr als einem Jahr Verzögerung. Da ist es also wenig verwunderlich, dass die Reihe an vielen Spielern vorbeiging.

Anderthalb Jahre nach Release in Japan erscheint nun mit »Yakuza Kiwami« die HD-Neuauflage eben jenen Erstlings auch bei uns. Nicht nur aufpoliert, sondern gleich mit neuer Engine, mehr Inhalten und frischer Vertonung im Gepäck, macht sich SEGA auf, die westliche Welt zu erobern. Dass wir mittlerweile sogar einen physischen Release bekommen, spricht sehr dafür, dass vor allem der Vorgänger »Yakuza 0« auch bei uns mehr als nur ein Achtungserfolg wurde. Nun ist es an der Zeit, dass wir die Wissenslücke füllen und das erste große Abenteuer des „Drachen von Dojima“ noch mal neu erleben.

Die „Yakuza“ sind die organisierte Kriminalität Japans. Yakuzas verstehen sich dabei sowohl als Gangster, aber auch als Geschäftsleute. In Japan ist Kleinkriminalität eher unüblich und so konzentriert sich auch die Yakuza weniger auf einfache Bürger, sondern mehr darauf, in ihrem Einflussgebieten alle Zügel in der Hand zu halten (Schutzgeld, Nachtclubs, Immobilien usw.). Teilweise arbeiten Yakuzas auch mit der Polizei zusammen, um zum Beispiel ausländischer Kriminalität keine Chance auf einen Nährboden in Japan zu geben. Die Strukturen der Yakuza sind an die Ränge der Samurai angelehnt.

Eigentlich liefen die Tage für Protagonist und Vorzeige-Yakuza Kazuma Kiryu schon mal besser: Kurz vor seine Beförderung in die höheren Familienkreise, werden seine besten Freunde Akira Nishikiyama und Yumi Sawamura in den Mord an einem Clan-Oberhaupt verwickelt. Kazuma hält für beide den Kopf hin, was ihn nicht nur direkt ins Gefängnis bringt, sondern seine Yakuza-Karriere auf einen Schlag beendet. 10 Jahre später ist er wieder in seinem alten Revier, einem fiktiven Stadtteil von Tokyo, zurück, doch die Dinge haben sich geändert. Kazuma hat im Knast viel von seiner einstigen Stärke verloren, Yumi ist spurlos verschwunden, Akira mittlerweile zum skrupellosen Gangster mutiert und die Stimmung zwischen den Familien angespannt. Obendrein hat auch noch irgendwer die Clan-Kasse geklaut. Kazuma gerät zwischen die Fronten und muss nicht nur Yumi wiederfinden, sondern auch seine Ehre wiederherstellen.

Auf unserem Kreuzzug durch das Nachtleben Tokyos folgen wir dabei nicht nur der rund 20 Stunden langen – von Spannung und Intrigen geprägten Haupt-Story – sondern haben auch eine mannigfache Auswahl an Nebenbeschäftigungen und kleineren Missionen. Gerade was die eher witzig geprägten Social-Elemente angeht, staunt sogar ein gestandenes GTA nicht schlecht, wenn wir mit Kazuma Dart spielen, in eine Karaokebar gehen, das nächstgelegene Restaurant aufsuchen, eine Runde an der Bowlingbahn abhängen, Würfeln, Mahjong spielen oder einen Host-Club besuchen. Letzteres ist sogar ein heimliches Highlight der Serie, da Kazuma hier mit seinem Charme die Herzen der Damen erobern kann. Daraus ergeben sich nette Minigames. Das Angebot des Vergnügungsviertels ist riesig und glücklicherweise gibt es im Pause-Menü eine Übersicht, damit wir auch ja nichts verpassen können. Ganz verpassen dürfen wir es nämlich nicht, denn auch diese Tätigkeiten bringen uns wichtige Erfahrungspunkte.

Völlig neu ist außerdem das „Majima Everywhere“-Feature, bei dem der völlig wahnsinnige Majima ständig auftaucht, um Kazuma mittels Kampfeinlagen dabei zu helfen, seine alte Form wieder zu erreichen. Majima spielte im ersten Yakuza eigentlich eine untergeordnete Rolle, doch dank seines Erfolges in »Yakuza 0« dürfen wir ihm in Kiwami des Öfteren begegnen und gegen ihn antreten. Dadurch erhalten wir spezielle Fähigkeiten, die sich im restlichen Spiel als wirklich nützlich erweisen. Wenn gleich seine Rolle eher ein Spaß für nebenher ist, bringt das Feature eine gewisse Unvorhersehbarkeit mit sich.

Aber nicht nur Majima wurde völlig überarbeitet, auch andere Teile des Urspiels wurden angepasst, um besser ins Bild von Yakuza 0 zu passen. Fans dürfen sich hier auf 30 Minuten an neuen Zwischensequenzen freuen. Sogar das erweiterte Kampfsystem – eigentliches Herzstück der Yakuza-Spiele – wurde aus Zero übernommen. So finden wir die bekannten Kampfstile aus dem Nuller wieder und müssen als Kazuma mit Händen, Füßen und im Notfall auch mit einem Motorrad als Waffe unsere Gegner malträtieren. Der (weitestgehende) Verzicht auf Schusswaffen gibt der Reihe ihren ganz besonderen Charme. Dank der neuen Stile haben die Kloppereien, die auf mächtigen Finishern und Kombos aufbauen, noch mal mehr Dynamik.

Aus technischer Sicht ist Kiwami keine von diesen hochskalierten HD-Remakes von der Stange, denn das Spiel wurde komplett überarbeitet – samt aktualisierter Engine. Nicht nur, dass das Spiel durch die nativen 1080p und 60 FPS gestochen scharf und wesentlich flüssiger läuft. Die Charaktermodelle und Texturen haben die Qualität von »Yakuza 0« und auch die Umgebung erstrahlt im neuen Glanz. Bei unseren Rundgängen durch das Nachtleben von Tokyo sehen wir von Leuchtreklame überwucherte, sehr belebte Straßenschluchten in großartiger Qualität. Vom PS2-Spiel ist da nur noch die Erinnerung übrig geblieben.

Glücklicherweise hat SEGA auf die englische Vertonung verzichtet (die sowieso Grütze war) und liefert den Fans eine vom Original-Cast neu eingesprochene Vertonung auf Japanisch. Mittels englischer Menüs und Untertitel dürfte aber auch hierzulande jeder irgendwie alles verstehen. Notfalls hilft ein Wörterbuch! Allerdings muss man wirklich darauf hinweisen, dass Yakuza kein Spiel für den westlichen Markt ist und – ebenso wie auch Persona 5 – die typischen Eigenheiten japanischer Games mit sich bringt. Nicht alle Handlungsstränge ergeben Sinn und Dialogszenen sind oft sehr ausschweifend. Manche Stellen wirken sogar etwas „peinlich“. Man braucht also schon etwas Offenheit für die Gangart aus Fernost. Die lohnt sich aber umso mehr, denn Yakuza Kiwami ist ein absolut großartiges Spiel.

Was natürlich etwas ins Gewicht schlägt, ist der direkte Vergleich mit Yakuza 0. Obwohl der nullte Teil zeitlich vor dem Erstling angesiedelt ist, allerdings viele Jahre später und technisch sehr ausgereift erschien, kam er mit mehr als 100 Stunden Spielzeit deutlich umfangreicher daher. Yakuza Kiwami ist an das Volumen des PS2-Klassikers gekettet und steht damit weit hinter seinen Nachfolgern. Das merkt man schon daran, dass wir in Kiwami wirklich nur Kazuma steuern, während wir in späteren Teilen die Kontrolle über mehrere Hauptcharaktere übernehmen. Auch die Qualität der Nebenhandlungen ist eher durchwachsen und lässt sie als „nett gemeintes Beiwerk“ erscheinen. Das trübt zwar nicht das Spielerlebnis, wird aber gestandenen Fans auf jeden Fall ins Auge stechen.

Elf Jahre nach dem ersten Versuch schlägt »Yakuza Kiwami« in bester Verfassung in Deutschland ein und zeigt, dass wir in all den Jahren mächtig was verpasst haben. Rein inhaltlich kann der Erstling, da er an seinen eigenen Limitierungen knabbert, nicht mit dem Umfang von Yakuza 0 mithalten, ist aber dennoch eine Bereicherung für die Fans, die noch mal die spannende Geschichte zwischen Kazuma und Akira erleben oder einfach die Wartezeit auf den 6. Teil überbrücken wollen. 

Autor:
Datum: 12.09.2017
Kategorien: Blog, Gaming-Reviews

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